Full text: Germanisches Sagen- und Märchenbuch

Reineke Fuchs. 
41 
den Hof. Hier redete Reineke sich nun mit vielen Worten gar trefflich 
heraus und bedauerte aufs tiefste, daß Bellyn nicht mehr am Leben; 
denn diesem habe er drei kostbare Kleinodien mitgegeben. Das erste sei 
ein Ring gewesen mit eingegrabenen zauberkräftigen, hebräischen Worten, 
der vor allen Qualen und Gefahren den König behütet haben würde; 
die beiden anderen Kleinodien aber seien für die edle Königin bestimmt 
gewesen: ein Kamm aus echtem Pantherbein habe in goldenen Bildern 
das Urteil des Paris dargestellt, und ein Spiegel, in dem man alles habe 
sehen können, was meilenweit geschehen, die Fassung von unzerstörbarem 
Holz, mit wunderbaren Bildern geschmückt, sei das dritte gewesen. Was 
könne er nun dafür, daß diese kostbaren Dinge durch Bellyns Leichtsinn oder 
wohl gar Habsucht verloren seien? Er und sein Vater bereits seien immer 
König Nobels treueste Vasallen gewesen, das könne er durch viele Bei¬ 
spiele beweisen. Übrigens erbiete er sich als echter Edelmann, von allen 
anderen Klagen sich in offenem Zweikampfe zu reinigen. So redete der 
Freche, und schon war Nobel nahe daran, sich abermals bethören zu 
lassen, da stürzte Isegrim vor und brachte eine Menge neuer Schänd¬ 
lichkeiten Reinekes ans Licht, besonders aber, wie gemein und schlecht er 
sich gegen seine, Isegrims, edle Gattin Gieremund betragen habe. So 
habe er einst im bittren Winter geheuchelt, er wolle ihr das Fischen 
lehren, und nachdem sie den Schwanz ins Wasser gesteckt und dieser 
fest eingefroren sei, da habe er sie noch verhöhnt und höchst unziemlich 
behandelt. Ein ander Mal habe er sie in einen Eimer setzen und in 
den Brunnen fallen lassen, indem er im anderen Eimer herausgestiegen 
sei; damals wäre sie von den herbeigeeilten Landleuten beinahe zu Tode 
geschlagen worden. Kurz, Reineke sei ein Dieb, ein Räuber, ein Ehren¬ 
schänder, und er fordere ihn hiermit vor allen Edlen auf morgen zum 
Zweikampfe. Wohl erschrak da Reineke, allein er faßte sich schnell und 
nahm scheinbar unerschrocken die Herausforderung an. Des Nachts aber 
lehrte ihn seine Freundin, die Äffin Rückenau, allerlei Fechterkünste, 
schor ihn ganz kahl und salbte ihn mit Öl, daß er nicht so leicht ge¬ 
faßt werden könne, sprach endlich auch einen Segen über ihn, der ihn 
unüberwindlich machen werde. Am Morgen begann dann der Kampf. 
Trotzdem der Wolf so stark war, gelang es doch Reineke infolge seiner 
neuen Künste, sich lange zu halten; endlich aber geriet er mit seiner 
Pfote in Isegrims Rachen und suchte sich nun mit süßen Redensarten 
zu retten: er wolle für jenen eine Bittfahrt antreten, sein Dienstmann 
sein und für ihn jagen. Allein der wütende Wolf gab ihm kein Gehör 
und hielt ihm noch einmal alle seine Vergehen vor. Inzwischen aber 
zog Reineke unvermerkt seine Pfote langsam heraus, ersah sich eine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.