Vorwort.
Dem lebenden Geschlechte ziemt es, das Erbe der Väter heilig zu
halten und mit Ehrfurcht und Liebe zu hegen, was jene hinterließen.
Wenn wir schon urväterlichen Hausrat sorgfältig aufbewahren, wenn
erinnerungsreiche Besitzstücke uns wertvoll erscheinen, so sind doch weit
kostbarer die geistigen Schätze, welche ein gütiges Geschick aus früheren
Zeiten auf die unsere gerettet hat. Ein solches Gut sind die alten
Sagen aus der Jugendzeit des germanischen Volkes. Vollkräftig und
frisch, wie das Blut des Jünglings durch die Adern strömt, rauscht in
der Sage der Strom deutschen Fühlens, deutschen Empfindens. Alles,
was deutscher Art und Sitte von alters her als edel und gut gegolten,
was deutsche Tugend hieß, das strahlt in Hellem Glanze aus der Sage
wieder. Vor allem aber sind zwei Tugenden, die Grundpfeiler deutschen
Wesens überhaupt, in einer unerschöpflichen Fülle von Heldengestalten
der Sage lebendig geworden: Mannesmut und Treue.
In Kampf und Streit ist der Deutsche von jeher groß geworden;
mit kraftvollem Arm und unerschrockenem Herzen hat er sich in mehr
als tausendjährigem Ringen einen Ehrenplatz unter den Völkern erstritten.
Längst vermodert sind die Gebeine jener Helden der Vorzeit, aber
unsterblich ist ihr Ruhm: aus den Liedern der Sage steigen sie vor
unserem Auge wieder empor in ihrer gewaltigen Stärke, ihrem trotzigen,
todesverachtenden Akute. Die Krone aller deutschen Tugenden aber ist
die Treue, sie erst giebt dem Helden die Weihe der sittlichen Kraft. In
den meisten unserer alten Sagen ist die Verherrlichung der Treue der
Gedanke, der das Ganze durchzieht und belebt. Der Fürst und seine
Mannen sind mit unauflöslichen Banden an einander gefesselt: sie lassen
ihr Leben für ihn, und wehe dem Feigling, der es nicht thut! Der