14
weimarifchen, leopoldischen, hessischen Völkern bin geplündert und rein
zum äußersten in meinem 70jährigen Alter gekommen bin; habe jetzt nicht
ein Hemd behalten."
Nicht weniger ehrwürdig als dieser evangelische Pfarrer, der alle
Leiden seiner Pflegebefohlenen teilte, um ihnen wenigstens den Trost der
Ewigkeit in ihrem Jammer spenden zu können, ist ein Hadamarer Katholik
namens Hesselmann, der „mit dem Feuereifer eines Elias auf den
eisigen Hohen des Westerwaldes umherzieht, Buße predigend und Hilfe
spendend. Jeder Gefahr und Anstrengung trotzte er; weder bittere Kälte
noch tiefer Schnee oder ausgetretene Büche konnten ihn von den Er¬
weisungen seiner Liebestat zurückhalten. Hitb damit er bei ungünstiger
Witterung desto besser fortkommen konnte, erklomm er, den Kelch in der
Hand tragend, mit nackten Füßen die Berge oder durchwatete die über-
schwemmten Täler. Die Leichname, welche wegen Mangels an Menschen
unbeerdigt liegen bleiben mußten, lud er auf seine Schultern und bettete
sie im Schoß der Erde".
Theodor Schneider. (Religionsgcsch. Bilder aus Nassau. Wiesbaden 1909. S. 70.)
10. Auf dem Wacholder.
Als ich auf dem Wacholder saß,
Da trank ich aus dem großen Faß.
Wie bekam mir das?
Wie dem Hunde das Gras:
Der Teufel gesegnet uns das.
„Zwischen Erbach und Hattenheim, etwa eine halbe Stunde
vom Rhein, liegt auf dem linken Ufer des Kisselbachs der soge¬
nannte Wacholder. Die anfangs sanft, dann steiler nach Norden
ansteigende Fläche hat eine natürliche Stärke, ihre höchste Er¬
hebung beherrscht die umliegenden Hügel; auf der Front und
rechten Flanke erschweren die eingeschnittenen Ufer des Kissel-
baches und bruchige Wiesen die Annäherung, den Rücken decken
die vorspringenden dichtbewaldeten Ausläufer der Rheingauer Höhen¬
züge, auf dem linken Flanken endlich erstreckt sich ein Defile,
welches die rasche und schlagfertige Entfaltung größerer Streit¬
kräfte unmöglich macht. Heute findet das Auge nur noch wenige
Spuren der alten Öde und Unfruchtbarkeit. Mit der gegen das
Ende des achtzehnten Jahrhunderts erfolgten Anlage des »Wach¬
older Hofs* wurde der magere Boden der Kultur erobert; da wo
im Mittelalter üppige Ginster und verkrüppelte Wacholdersträuche
wucherten, grünen heute saftige Wiesen und wogende Saaten;
selbst die Rebe ist dort heimisch geworden und erzeugt in dem
sonnigen Honigberg einen köstlichen Trank. Nur wenige Ruten