362 Kaiser Wilhelm I. und seine Zeit. 
eine fast uneinnehmbare Stellung. Sie hielten den Angriff der Feinde 
für vermessen, den Sieg derselben für unmöglich. Dennoch wurde der 
Stunn beschlossen. Unter einem unaufhörlichen Kugelregen krochen die 
Bataillone auf Handen und Füßen hinan, sich an Steinen und Büschen 
emporziehend. Als der Gipfel erreicht war, wurde der Feind mit ge¬ 
fälltem Bajonett zurückgetrieben. Die preußische Infanterie hatte einen 
harten Stand gegen die vereinigte Infanterie, Artillerie und Kavallerie 
der Franzosen. Da erklommen zwei Batterieen auf steilem, schmalem 
Geblrgspfade die Höhen. Nunmehr brach die Kraft des dreimal über¬ 
legenen Feindes zusammen. Eine große Anzahl Gefangener und Kanonen 
fiel den Siegern in die Hände. Unter dem Schutze der Nacht zog 
sich der geschlagene Feind in der Richtung auf Metz zurück. 
Bei der wilden Flucht wurden Bagage, Geschütze und Munitionswagen, 
sowie ganze Proviantzüge zurückgelassen. Die Soldaten blieben zu Tausenden 
alv Marodeure in den Wäldern zurück; die Einwohner von Saverne rannten in 
großen Haufen besinnungslos aus der Stadt. Um in Paris die große Erregung 
zu dämpfen, erließ der Ministerrat noch am 6. August eine dringende Mahnung: 
„Im Namen des Vaterlandes, im Namen Eurer Armee bitten wir Euch, ruhig 
und geduldig zu sein und die Ordnung aufrecht zu erhalten. Unordnungen in 
Paris wären gleichbedeutend mit dem Siege der Preußen." Der Kaiser tele¬ 
graphierte: „Mac Mahon bat eine Schlacht verloren. Frossard ist an der Saar 
genötigt worden, sich zurückzuziehen. Es kann noch alles wieder gut werden." 
Am 8. August richtete der Ministerrat eine neue Proklamation an das Volk: 
»Jetzt, Franzosen, haben wir Euch die Wahrheit gesagt, jetzt ist es an Euch, Eure 
Pflicht zu thun. Möge das ganze Volk sich erheben in Hingebung, um in großen 
Kämpfen stand zu halten. Einige unserer Regimenter sind unterlegen, unsere ganze 
Armee ist noch nicht besiegt. Derselbe Hauch der Unerschrockenheit beseelt sie noch 
immer. Setzen wir der jetzt von glücklichem Erfolge begleiteten Kühnheit des 
Gegners Zähigkeit entgegen, welche die Geschicke beherrscht? Ziehen wir uns auf 
uns selbst zurück, und mögen die Eroberer gegen einen Wall von menschlichen 
Leibern anstürmen. Haltet Euch aufrecht also! Aufrecht!" Alle Bürger zwischen 
30 und 40 Jahren wurden jetzt schleunigst einberufen und in die Mobilgarde 
eingereiht. Um sich an dem Feinde zu rächen, wurden durch die französische 
Regierung alle Deutschen aus Frankreich ausgewiesen und ver¬ 
trieben. Mehr als 60 000 Deutsche wurden dadurch ihres Erwerbes beraubt. 
Diese Maßregel rief nicht nur in Deutschland, sondern auch bei allen neutralen 
Völkern einen Schrei der Entrüstung hervor. 
Während Mac Mahon seine geschlagene und zersprengte Armee 
in dem festen Lager zu C Halo ns an der Marne sammelte, zog sich 
Bazaine, um nicht durch die Deutschen überflügelt zu werden, auf die 
Riesenfestung Metz zurück. Dadurch standen die französischen Grenzlande 
der deutschen Armee offen. Beim Einrücken derselben in Frankreich, am 
8. August, sagte König Wilhelm in seinem Armeebefehl: „Soldaten! 
Die Verfolgung des nach blutigen Kämpfen zurückgedrängten Feindes 
hat bereits einen großen Teil unserer Armee über die Grenze geführt. 
Ich erwarte, daß die Mannszucht, durch welche Ihr Euch bisher aus¬ 
gezeichnet habt, sich auch besonders auf feindlichem Gebiete bewähren
	        
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