Rußland und Konstantinopel. 
Nr. 5. 
Frankreich und die „Revanche“. 
Nr. 6. 
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Rußland um 1800. 
Hinzuerobert bis 1912. 
ZI Unter russischer Mitwirkung 
losgelöst von der Türkei 
bis 1912. 
Türkisches Reich 1914. 
Rußland und Konstantinopel. 
Zwei Wege führen rings um das Schwarze Meer sicher nach Konstantinopel, der östliche durch unmittelbare Eroberung, der westliche, 
mittelbare, durch die Einrichtung abhängiger russischer Vasallenstaaten. Der Weg zu diesen führt über Wien, vorher aber noch über Berlin. 
Rußland, das auf Kosten zuriickgehender Völker nach allen 
Seiten immer nur größer geworden, hat doch stets ein besonderes 
Verlangen nach einer Ausdehnung südwärts, den Dniepr abwärts, 
gehabt. Von Konstantinopel hat es ja seine Kultur und seinen 
Glauben erhalten, und als es nach dem Falle dieser Kaiserstadt 
unter Iwan dem Schrecklichen den Titel „Czar“ (Kaiser) aufnahm, 
gewissermaßen auch die Fortsetzung des byzantinischen Kaiser¬ 
reiches übernommen. Die gewaltsame Auseinandersetzung mit den 
Gebietern der Dniepr-Ufer, den Türken, begann bereits unter Peter 
dem Großen, aber erst unter Katharina H. gelang die volle Unter¬ 
werfung der Länder nördlich vom Schwarzen Meer. Nicht bloß 
Potemkinsche Dörfer schmückten seitdem das südliche Reich, son¬ 
dern auch wirklich großangelegte Städte, wie Jekaterinoslaw (1887) 
und die schöne Hafenstadt Odessa (1794), die man schon damals als 
das Tor von Konstantinopel bezeichnete. 1783 „erbte“ man dazu 
die Ufer des Asowschen Meeres. (Das Tatarenreich der Krim.) Aber 
1792 verständigte man sich mit den Türken zu Jassy, daß nunmehr 
endgültig der Dniestr die Grenze des russischen Reiches sein sollte. 
Bis dahin waren die Erwerbungen im wesentlichen im Einver¬ 
ständnis mit Österreich erfolgt. Das änderte sich aber, als Ru߬ 
land 1812 im Bukarester Frieden auch Bessarabien gewann; hierzu 
rechnete man damals das ganze Donaudelta. 
Die Donaumündung war aber das Ausgangstor des Donaustaates 
Österreich. Seit dieser Zeit steht dieses auf seiten derer, die Ru߬ 
lands Vordringen nach Konstantinopel aufzuhalten suchen. Am 
offenkundigsten geschah das während des Krimkrieges, als auch 
die Westmächte wenigstens die militärische Stellung Rußlands am 
Schwarzen Meere schwächen wollten. Daß es noch weiter süd¬ 
wärts sich dem Wege nach Indien nähere, läge nicht im Interesse 
Europas, (d. h. Englands.) 
Eine allseitig befriedigende und endgültige Lösung der berühm¬ 
ten Orientalischen Frage schien allerdings unmöglich. Man ließ 
die Türken gewähren. Unter der Hand aber arbeitete Rußland 
doch weiter, und zwar so, daß es in Europa die Auflösung des 
türkischen Reiches durch Begründung bzw. Vergrößerung kleinerer, 
scheinbar selbständiger Staaten förderte, in Asien aber offen ein 
Stück türkischen Gebietes nach dem ändern an sich riß. 
Somit gewann es zwei Wege nach Konstantinopel, einen 
unmittelbaren über Asien, einen mittelbaren durch Eu¬ 
ropa, die beide unfehlbar zum Ausgange des Schwarzen 
Meeres führen mußten. Rußland verlangte eben den 
„Hausschlüssel“ zu seinem Schwarzen Meere. 
In Asien erwarb es im Laufe des vorigen Jahr¬ 
hunderts : 
1801 Georgien; 
1804 Mingrelien; 
1829 Poti und Achalzich; 
1859 die Reste des tscherkessischen Gebietes, nachdem 
die Große u. Kleine Kabarda schon vorher gewonnen; 
1878 Kars und Batum. Dann arbeitete es weiter an der 
Lostrennung Armeniens und an dem Gewinn Ana¬ 
toliens durch Erzwingung von Eisenbahnkonzes¬ 
sionen, deren Ausführung es selber gar nicht vorhatte. 
In Europa aber unterstützte es die Vergrößerung 
der kleineren Staaten, die es durch Heiraten der Fürsten, 
durch geldliche und militärische Hilfe anscheinend 
selbstlos an Rußland kettete, und bei denen zunächst 
die kirchliche Verwandtschaft den selbstverständlichen 
Beistand erklären sollte, dann aber wurde auch die 
Rassengemeinschaft immer stärker betont und in dieser 
Absicht der Panslawismus zum Panier erhoben. 
Natürlich wurde dieser Standpunkt für Österreich immer 
bedrohlicher. 
Bezeichnend war es, daß Rußland die kleineren 
Staaten des Balkans wohl größer werden ließ. Griechen¬ 
land wuchs 1878 um Thessalien und 1912 um Epirus 
und Südmazedonien; Serbien desgleichen um Nisch bzw. 
Nordmazedonien. Auch Montenegro wurde schon 1878 
nach Westen, d. h. nach der Küste (Antivari) und 1912 
nach Osten vergrößert. Rumänien aber, das volkreich 
genug war, wurde, obwohl es 1877/78 die wertvollste 
Hilfe geleistet, doch mit Undank behandelt. Es mußte 
zu seinem Schaden die Dobrudscha gegen bessarabische 
Gebiete eintauschen, und Bulgarien gar, das 1911 die 
Hauptarbeit getan, wurde nach russischem Willen 
um die Früchte gebracht und mußte bei Tschataldscha 
haltmachen, weil — Konstantinopel eine andere Ver¬ 
wendung finden sollte. 
Ein großes, unabhängiges Bulgarenreich mit der 
Hauptstadt am Bosporus lag ja nicht in Rußlands Plänen. 
Alle diese Balkanstaaten sollten überhaupt eine gewisse 
Größe nicht überschreiten. 
Aber man sagte sich in Petersburg jetzt auch, daß 
Österreichs Widerstand gegen die Zertrümmerung der 
Türkei gebrochen werden und daß daher der Weg nach 
Konstantinopel über Wien gehen müsse. Deshalb die 
verstärkten Wühlereien der Panslawisten und daher 
auch die Beschützung der Serben um jeden Preis. 
Selbst die vom serbischen Staat geförderte Ermordung 
des österreichischen Thronfolgerpaares hielt Rußland 
nicht ab, auch in dieser Sache für das politisch brauch¬ 
bare Serbien sofort einzutreten. 
Mit Österreich aber war Deutschland seit 1879 ver¬ 
bündet. Deutschlands Wort und Interesse verlangten, 
dem alten Österreich die Treue zu halten. Unbedenk¬ 
lich erklärte nunmehr die panslawistische, von kurz¬ 
sichtigen Großfürsten geleitete Regierung, daß nun der 
Weg nach Konstantinopel zunächst über Berlin und 
dann weiter nach dem Endziel gehe; und da man schon 
lange an Deutschland sich geärgert, weil es dem türki¬ 
schen Reiche wesentliche Dienste geleistet (Bagdad¬ 
bahn, Militärkonventionen u. a.), und ferner, da man 
schon lange von Frankreichs Geld und guten Worten 
sich hatte betören und für die 17 Milliarden auch 
Pflichten hatte übernehmen müssen, schloß man immer 
inniger die Entente, die in den 90 er Jahren begründet 
war und die 1914 nach umfassenden Vorbereitungen 
ihr letztes Ziel erreichen sollte: die Zertrümmerung 
Deutschlands, Österreichs und der Türkei. 
Die alte geschichtliche Grenze seit 870. 
Düsseldorf 
Antwerpen 
Köln 
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Elsaß - Lothringen. 
Zu Ostfranken nach dem 
Meersener Vertrag. 
Verdruß über den unglücklichen Krieg 1870/71, dessen Ausgang das 
eitle Volk nur einem Verrate zuschreiben konnte, und nicht minder 
Ärger über den Verlust Elsaß-Lothringens veranlaßten Frankreich, mit 
zunehmender Leidenschaft sich dem Rachegedanken gegen Deutschland 
hinzugeben. Ermuntert wurden diese Gefühle durch England, das immer 
schon von der Zwietracht anderer lebte, und ebenso durch Rußland, das 
für seine Ausdehnung nach Konstantinopel und für die Beschaffung der 
dazu erforderlichen Geldmittel in Frankreich Verständnis und Hilfe fand. 
Wie gut wurde doch solches Geld angelegt, wenn wirklich zweifellos 
durch solche Verbindungen Deutschland gedemütigt und zur Rückzahlung 
der Milliarden gezwungen werden konnte?! 
Und Elsaß-Lothringen ? Schon das Kartenbild Frankreichs sah offenbar 
nach Verstümmlung aus. (Auf der rechten Seite fehlte etwas.) Und dazu 
die fortwährenden Klagen der Nationalisten, die an der Statue der Stadt 
Straßburg in Wort und Schmuck den entrissenen zwei Töchtern Frank- 
reichs nachtrauerten. Diese waren es, an die man immer denken und von 
denen man niemals sprechen sollte. Die heißgeliebten Töchter sehnten 
sich angeblich immer wärmer nach der Mutterbrust Frankreichs zurück. 
Aber wie waren, von dieser Gefühlsschwärmerei abgesehen, die tat¬ 
sächlichen Verhältnisse ? 
Geschichtlich hatte Elsaß-Lothringen früher immer zu Deutsch¬ 
land gehört. Schon durch den Meersener Vertrag, durch den das ge¬ 
waltige Reich Karls des Großen endgültig in West- und in Ostfranken 
(heute Deutschland) geteilt wurde, war etwa die Grenze ge¬ 
funden, die 1000 Jahre später im Frankfurter Frieden 1871 
wieder festgesetzt wurde. 
Diese Grenze ist französischerseits bis zu den Raub¬ 
kriegen Ludwigs XIV. ostwärts nicht verrückt worden. Ihm 
aber gelang es unter Ausnutzung der Not, die der Dreißig¬ 
jährige Krieg über Deutschland gebracht, den Rhein zu 
erreichen. Eine zweite Verschiebung versuchten später unter 
Benutzung der Auflösung des Deutschen Reiches die Männer 
der französischen Revolution und Napoleon I. Letzterer legte 
die Grenze sogar bis nach Lübeck, und zwar aus Gründen 
„höherer Art“. 
Diese Übergriffe völlig wieder gut zu machen, wäre 
Sache des Wiener Kongresses gewesen. Aber nur zu sehr 
wurden Preußens und Deutschlands Vorteile hier zurück¬ 
gesetzt, und erst Bismarck stellte 1871 die normale Grenze 
wieder fest. Es ist dies die aus strategischen, natio¬ 
nalen und natürlichen Gründen jetzt zu Recht bestehende 
Vogesengrenze. 
Die strategischen Gründe lehrt ein Blick auf die 
Karte. Wie eine Mauer scheiden die Vogesen die beiden 
Völker. 
Die nationale Zugehörigkeit ergibt sich aus der Tat¬ 
sache, daß unter den 1874000 Ein w. nur 212 000 Französisch 
sprechen. Und diese Zahl wird immer kleiner. 1892 waren 
es noch 280000. 
Und die natürlichen Beziehungen zum Rhein sind die¬ 
selben wie im gegenüberliegenden Baden. Der Rhein ist die 
Lebensader für die ganze oberrheinische Tiefebene. 
Zu dem allen aber kommt doch noch, daß das Land seit 
44 Jahren vertragsgemäß zu Deutschland gehört, daß es unter 
diesen Verhältnissen sichtlich gedeiht, und daß auch der 
jetzige Krieg, wie die Franzosen selber mit Schmerz be¬ 
obachten, überall die fortschreitende Verdeutschung ergibt. 
„200 Jahre habt Ihr zu Frankreich gehört; seid so lange 
auch einmal deutsch, dann wollen wir uns wieder sprechen“ 
(Bismarck.) 
Aber trotz alledem entschloß sich Frankreich doch, die 
Pläne Rußlands und Englands zu unterstützen. 
Das Unternehmen war ja so ungefährlich. Schon die ober¬ 
flächlichste Berechnung ergab, daß der Dreiverband siegen 
müsse. Hunderte von Millionen gegen das kleine, uneinige, 
nur zufällig größer gewordene Deutschland! Diese Flotten 
auf dem Meere, diese Riesenarmeen auf dem Lande, diese 
Geldmittel usw. usw. Dazu alle die Teilnehmer. Kurzum, 
die Sache mußte gelingen. 
Dabei hatte Frankreich nach und nach an das geldbe¬ 
dürftige Rußland so viele Milliarden geborgt, daß seine und 
Rußlands Interessen immer mehr zusammenfielen, und Eng¬ 
land hatte anscheinend so treu in allen kolonialen Fragen 
unterstützt, daß Frankreich diesem selbstlosen Freunde arg¬ 
los vertraute. 
Vergessen wurde, daß früher Frankreich immer Er¬ 
werbungen gemacht und England hinterdrein sie gewonnen 
hatte. So war es mit Kanada gegangen (1768), so mit vielen 
Gebieten Indiens in der Napoleonischen Zeit. Auch wert¬ 
volle kleine Antillen, wie Tabago, Dominica, St. Lucia, waren 
um dieselbe Zeit verloren gegangen, desgl. Isle de France 
(Mauritius). Napoleon eroberte Malta, und England behielt 
es hinterdrein; und Ägypten, das Frankreich 1798 gewisser¬ 
maßen wieder entdeckte und dem es später den Suezkanal 
verschaffte, wurde unter der Hand mitsamt dem Kanal voll¬ 
ständig englisches Eigentum. 
Das alles, auch Faschoda, wurde verschmerzt. Man freute 
sich der großen Erwerbungen in Afrika, bei denen England 
Pate gewesen und verschenkt hatte, was ihm nicht gehörte, 
und ging mit den zwei Verbündeten arglos weit und weiter, 
bis der furchtbare Krieg unvermeidlich geworden. 
Die sprachliche Grenze. 
Elberfeld 
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Maastricht! 
Bonn 
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Deutsch sprechende Elsaß-Lothringer 
Französisch sprechende
	        
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