Rußland und Konstantinopel.
Nr. 5.
Frankreich und die „Revanche“.
Nr. 6.
Kiew
_ fs
Wientf\i£ressburg^
ztemowitz
J ekaterinoslaw
\4f 17920^. Offiender
\ ° ) / % V NikolajewW0her3on
'Szigeth
Szegeuin
«?> \Oczakow
ohacz
Temesvar—\JMär
Al > <4»OdessapKinburn
1794
Hermanstadt
° -fiuM
"'Braila^lls“ail
Rumänien
* ® tX i Belgrad
KefEscti
Serajewo v
O V* iS
/ O
1859 Bukarest
O
kW alachei
Simferopol o
Sebastopol'to
1855
ilistria
Dona»
ONisch
Oatt,ar&{ j V ^ \ \ I#l£
Mingrelien
1804
Suchumkale ,_v,
Varna <0
Schwarzes Me
I OSofia Jgyg
. Bulgarien
Philippopel
I < ^ '
(• Üsküb
Kutais
0182
Tiflis
chalzicho
Kars
Batum
1878
Sinope
Ädrianopel
Saloniki
Eriwan
°1828
Tarabison
tv *• ' "•a.
o
Erzeruin
Jonisches Meer
o
Kutahiia
Chios^
Athen
Smyrna
VJP-'
IaI C7
0> ?>
O
Koniah
Adalia
Rußland um 1800.
Hinzuerobert bis 1912.
ZI Unter russischer Mitwirkung
losgelöst von der Türkei
bis 1912.
Türkisches Reich 1914.
Rußland und Konstantinopel.
Zwei Wege führen rings um das Schwarze Meer sicher nach Konstantinopel, der östliche durch unmittelbare Eroberung, der westliche,
mittelbare, durch die Einrichtung abhängiger russischer Vasallenstaaten. Der Weg zu diesen führt über Wien, vorher aber noch über Berlin.
Rußland, das auf Kosten zuriickgehender Völker nach allen
Seiten immer nur größer geworden, hat doch stets ein besonderes
Verlangen nach einer Ausdehnung südwärts, den Dniepr abwärts,
gehabt. Von Konstantinopel hat es ja seine Kultur und seinen
Glauben erhalten, und als es nach dem Falle dieser Kaiserstadt
unter Iwan dem Schrecklichen den Titel „Czar“ (Kaiser) aufnahm,
gewissermaßen auch die Fortsetzung des byzantinischen Kaiser¬
reiches übernommen. Die gewaltsame Auseinandersetzung mit den
Gebietern der Dniepr-Ufer, den Türken, begann bereits unter Peter
dem Großen, aber erst unter Katharina H. gelang die volle Unter¬
werfung der Länder nördlich vom Schwarzen Meer. Nicht bloß
Potemkinsche Dörfer schmückten seitdem das südliche Reich, son¬
dern auch wirklich großangelegte Städte, wie Jekaterinoslaw (1887)
und die schöne Hafenstadt Odessa (1794), die man schon damals als
das Tor von Konstantinopel bezeichnete. 1783 „erbte“ man dazu
die Ufer des Asowschen Meeres. (Das Tatarenreich der Krim.) Aber
1792 verständigte man sich mit den Türken zu Jassy, daß nunmehr
endgültig der Dniestr die Grenze des russischen Reiches sein sollte.
Bis dahin waren die Erwerbungen im wesentlichen im Einver¬
ständnis mit Österreich erfolgt. Das änderte sich aber, als Ru߬
land 1812 im Bukarester Frieden auch Bessarabien gewann; hierzu
rechnete man damals das ganze Donaudelta.
Die Donaumündung war aber das Ausgangstor des Donaustaates
Österreich. Seit dieser Zeit steht dieses auf seiten derer, die Ru߬
lands Vordringen nach Konstantinopel aufzuhalten suchen. Am
offenkundigsten geschah das während des Krimkrieges, als auch
die Westmächte wenigstens die militärische Stellung Rußlands am
Schwarzen Meere schwächen wollten. Daß es noch weiter süd¬
wärts sich dem Wege nach Indien nähere, läge nicht im Interesse
Europas, (d. h. Englands.)
Eine allseitig befriedigende und endgültige Lösung der berühm¬
ten Orientalischen Frage schien allerdings unmöglich. Man ließ
die Türken gewähren. Unter der Hand aber arbeitete Rußland
doch weiter, und zwar so, daß es in Europa die Auflösung des
türkischen Reiches durch Begründung bzw. Vergrößerung kleinerer,
scheinbar selbständiger Staaten förderte, in Asien aber offen ein
Stück türkischen Gebietes nach dem ändern an sich riß.
Somit gewann es zwei Wege nach Konstantinopel, einen
unmittelbaren über Asien, einen mittelbaren durch Eu¬
ropa, die beide unfehlbar zum Ausgange des Schwarzen
Meeres führen mußten. Rußland verlangte eben den
„Hausschlüssel“ zu seinem Schwarzen Meere.
In Asien erwarb es im Laufe des vorigen Jahr¬
hunderts :
1801 Georgien;
1804 Mingrelien;
1829 Poti und Achalzich;
1859 die Reste des tscherkessischen Gebietes, nachdem
die Große u. Kleine Kabarda schon vorher gewonnen;
1878 Kars und Batum. Dann arbeitete es weiter an der
Lostrennung Armeniens und an dem Gewinn Ana¬
toliens durch Erzwingung von Eisenbahnkonzes¬
sionen, deren Ausführung es selber gar nicht vorhatte.
In Europa aber unterstützte es die Vergrößerung
der kleineren Staaten, die es durch Heiraten der Fürsten,
durch geldliche und militärische Hilfe anscheinend
selbstlos an Rußland kettete, und bei denen zunächst
die kirchliche Verwandtschaft den selbstverständlichen
Beistand erklären sollte, dann aber wurde auch die
Rassengemeinschaft immer stärker betont und in dieser
Absicht der Panslawismus zum Panier erhoben.
Natürlich wurde dieser Standpunkt für Österreich immer
bedrohlicher.
Bezeichnend war es, daß Rußland die kleineren
Staaten des Balkans wohl größer werden ließ. Griechen¬
land wuchs 1878 um Thessalien und 1912 um Epirus
und Südmazedonien; Serbien desgleichen um Nisch bzw.
Nordmazedonien. Auch Montenegro wurde schon 1878
nach Westen, d. h. nach der Küste (Antivari) und 1912
nach Osten vergrößert. Rumänien aber, das volkreich
genug war, wurde, obwohl es 1877/78 die wertvollste
Hilfe geleistet, doch mit Undank behandelt. Es mußte
zu seinem Schaden die Dobrudscha gegen bessarabische
Gebiete eintauschen, und Bulgarien gar, das 1911 die
Hauptarbeit getan, wurde nach russischem Willen
um die Früchte gebracht und mußte bei Tschataldscha
haltmachen, weil — Konstantinopel eine andere Ver¬
wendung finden sollte.
Ein großes, unabhängiges Bulgarenreich mit der
Hauptstadt am Bosporus lag ja nicht in Rußlands Plänen.
Alle diese Balkanstaaten sollten überhaupt eine gewisse
Größe nicht überschreiten.
Aber man sagte sich in Petersburg jetzt auch, daß
Österreichs Widerstand gegen die Zertrümmerung der
Türkei gebrochen werden und daß daher der Weg nach
Konstantinopel über Wien gehen müsse. Deshalb die
verstärkten Wühlereien der Panslawisten und daher
auch die Beschützung der Serben um jeden Preis.
Selbst die vom serbischen Staat geförderte Ermordung
des österreichischen Thronfolgerpaares hielt Rußland
nicht ab, auch in dieser Sache für das politisch brauch¬
bare Serbien sofort einzutreten.
Mit Österreich aber war Deutschland seit 1879 ver¬
bündet. Deutschlands Wort und Interesse verlangten,
dem alten Österreich die Treue zu halten. Unbedenk¬
lich erklärte nunmehr die panslawistische, von kurz¬
sichtigen Großfürsten geleitete Regierung, daß nun der
Weg nach Konstantinopel zunächst über Berlin und
dann weiter nach dem Endziel gehe; und da man schon
lange an Deutschland sich geärgert, weil es dem türki¬
schen Reiche wesentliche Dienste geleistet (Bagdad¬
bahn, Militärkonventionen u. a.), und ferner, da man
schon lange von Frankreichs Geld und guten Worten
sich hatte betören und für die 17 Milliarden auch
Pflichten hatte übernehmen müssen, schloß man immer
inniger die Entente, die in den 90 er Jahren begründet
war und die 1914 nach umfassenden Vorbereitungen
ihr letztes Ziel erreichen sollte: die Zertrümmerung
Deutschlands, Österreichs und der Türkei.
Die alte geschichtliche Grenze seit 870.
Düsseldorf
Antwerpen
Köln
Bonn
Löwen
J O
\Aachen
Lüttich
Maft*
Koblenz
Frankfurt
Mainz
•( yb Trier
Mannheim
Vienne
o
Verdun
O
Karlsruhe
S. Mihiel
ul
traßburg
Besancon
Elsaß - Lothringen.
Zu Ostfranken nach dem
Meersener Vertrag.
Verdruß über den unglücklichen Krieg 1870/71, dessen Ausgang das
eitle Volk nur einem Verrate zuschreiben konnte, und nicht minder
Ärger über den Verlust Elsaß-Lothringens veranlaßten Frankreich, mit
zunehmender Leidenschaft sich dem Rachegedanken gegen Deutschland
hinzugeben. Ermuntert wurden diese Gefühle durch England, das immer
schon von der Zwietracht anderer lebte, und ebenso durch Rußland, das
für seine Ausdehnung nach Konstantinopel und für die Beschaffung der
dazu erforderlichen Geldmittel in Frankreich Verständnis und Hilfe fand.
Wie gut wurde doch solches Geld angelegt, wenn wirklich zweifellos
durch solche Verbindungen Deutschland gedemütigt und zur Rückzahlung
der Milliarden gezwungen werden konnte?!
Und Elsaß-Lothringen ? Schon das Kartenbild Frankreichs sah offenbar
nach Verstümmlung aus. (Auf der rechten Seite fehlte etwas.) Und dazu
die fortwährenden Klagen der Nationalisten, die an der Statue der Stadt
Straßburg in Wort und Schmuck den entrissenen zwei Töchtern Frank-
reichs nachtrauerten. Diese waren es, an die man immer denken und von
denen man niemals sprechen sollte. Die heißgeliebten Töchter sehnten
sich angeblich immer wärmer nach der Mutterbrust Frankreichs zurück.
Aber wie waren, von dieser Gefühlsschwärmerei abgesehen, die tat¬
sächlichen Verhältnisse ?
Geschichtlich hatte Elsaß-Lothringen früher immer zu Deutsch¬
land gehört. Schon durch den Meersener Vertrag, durch den das ge¬
waltige Reich Karls des Großen endgültig in West- und in Ostfranken
(heute Deutschland) geteilt wurde, war etwa die Grenze ge¬
funden, die 1000 Jahre später im Frankfurter Frieden 1871
wieder festgesetzt wurde.
Diese Grenze ist französischerseits bis zu den Raub¬
kriegen Ludwigs XIV. ostwärts nicht verrückt worden. Ihm
aber gelang es unter Ausnutzung der Not, die der Dreißig¬
jährige Krieg über Deutschland gebracht, den Rhein zu
erreichen. Eine zweite Verschiebung versuchten später unter
Benutzung der Auflösung des Deutschen Reiches die Männer
der französischen Revolution und Napoleon I. Letzterer legte
die Grenze sogar bis nach Lübeck, und zwar aus Gründen
„höherer Art“.
Diese Übergriffe völlig wieder gut zu machen, wäre
Sache des Wiener Kongresses gewesen. Aber nur zu sehr
wurden Preußens und Deutschlands Vorteile hier zurück¬
gesetzt, und erst Bismarck stellte 1871 die normale Grenze
wieder fest. Es ist dies die aus strategischen, natio¬
nalen und natürlichen Gründen jetzt zu Recht bestehende
Vogesengrenze.
Die strategischen Gründe lehrt ein Blick auf die
Karte. Wie eine Mauer scheiden die Vogesen die beiden
Völker.
Die nationale Zugehörigkeit ergibt sich aus der Tat¬
sache, daß unter den 1874000 Ein w. nur 212 000 Französisch
sprechen. Und diese Zahl wird immer kleiner. 1892 waren
es noch 280000.
Und die natürlichen Beziehungen zum Rhein sind die¬
selben wie im gegenüberliegenden Baden. Der Rhein ist die
Lebensader für die ganze oberrheinische Tiefebene.
Zu dem allen aber kommt doch noch, daß das Land seit
44 Jahren vertragsgemäß zu Deutschland gehört, daß es unter
diesen Verhältnissen sichtlich gedeiht, und daß auch der
jetzige Krieg, wie die Franzosen selber mit Schmerz be¬
obachten, überall die fortschreitende Verdeutschung ergibt.
„200 Jahre habt Ihr zu Frankreich gehört; seid so lange
auch einmal deutsch, dann wollen wir uns wieder sprechen“
(Bismarck.)
Aber trotz alledem entschloß sich Frankreich doch, die
Pläne Rußlands und Englands zu unterstützen.
Das Unternehmen war ja so ungefährlich. Schon die ober¬
flächlichste Berechnung ergab, daß der Dreiverband siegen
müsse. Hunderte von Millionen gegen das kleine, uneinige,
nur zufällig größer gewordene Deutschland! Diese Flotten
auf dem Meere, diese Riesenarmeen auf dem Lande, diese
Geldmittel usw. usw. Dazu alle die Teilnehmer. Kurzum,
die Sache mußte gelingen.
Dabei hatte Frankreich nach und nach an das geldbe¬
dürftige Rußland so viele Milliarden geborgt, daß seine und
Rußlands Interessen immer mehr zusammenfielen, und Eng¬
land hatte anscheinend so treu in allen kolonialen Fragen
unterstützt, daß Frankreich diesem selbstlosen Freunde arg¬
los vertraute.
Vergessen wurde, daß früher Frankreich immer Er¬
werbungen gemacht und England hinterdrein sie gewonnen
hatte. So war es mit Kanada gegangen (1768), so mit vielen
Gebieten Indiens in der Napoleonischen Zeit. Auch wert¬
volle kleine Antillen, wie Tabago, Dominica, St. Lucia, waren
um dieselbe Zeit verloren gegangen, desgl. Isle de France
(Mauritius). Napoleon eroberte Malta, und England behielt
es hinterdrein; und Ägypten, das Frankreich 1798 gewisser¬
maßen wieder entdeckte und dem es später den Suezkanal
verschaffte, wurde unter der Hand mitsamt dem Kanal voll¬
ständig englisches Eigentum.
Das alles, auch Faschoda, wurde verschmerzt. Man freute
sich der großen Erwerbungen in Afrika, bei denen England
Pate gewesen und verschenkt hatte, was ihm nicht gehörte,
und ging mit den zwei Verbündeten arglos weit und weiter,
bis der furchtbare Krieg unvermeidlich geworden.
Die sprachliche Grenze.
Elberfeld
o ° 0
Düsseldorf Barmen
Maastricht!
Bonn
Düren
Lüttich
o
\ Malmedy
Koblenz
rankfurt
Mainz
Main
Kaiserslautern
Mannheim
iedenhofen
Saarlouis
Zweibrücken
o
( ViäaarbrückenA
Metz \ \ W v^..s
\ Saargemünd a v—J."~ \
Trifels
o
W eissenburg\J6fc*
Karlsruhe
\ Pfalzburg o
n Hagenau
o
Rastatt
Nancy \
Lüneville"''--\
Stuttgart o
i Q
Zabern
Straßburgp ÄKehl
Offenburg
ttstadt
St.DWc
aii
Bpinal
reiburg
. »i' v-.-.-te.V?
Donau
o
Gelbweiler
\ |Mülhausen
Schaffhausen q-J/N
edrichshafen
Beifort \ i
Konstanz^'
Deutsch sprechende Elsaß-Lothringer
Französisch sprechende