Full text: Für Klasse VI und V (4tes und 5tes Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

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sagte er, „Dummheiten, Dummheiten!" und damit stieg er wieder auf 
sein Blatt. 
Das ging prächtig schnell durch die Luft dahin, und so sicher und 
ruhig, daß Marie sich gar nicht fürchtete. „Libelle, wohin fliegen wir?" 
5 fragte sie. 
„Zur Insel," sagte die Libelle, „die hat steile Ufer, da kann kein 
Frosch hinaufkommen." Mitten im Bach lag ein Felsblock mit steilen, 
abschüssigen Seiten. Er war nicht größer als ein Tisch und mit Moos 
und Blumen, Erdbeeren und Heidelbeeren und einem Heidelbeerstrauch 
10 bewachsen. Auch ein Busch Farnkraut neigte sich über das Wasser hin, 
und in der Mitte auf der höchsten Stelle stand sogar eine ganz kleine 
Fichte, so niedlich wie ein Weihnachtsbaum für Puppen. Dahin brachte 
die Libelle die kleine Marie und sagte: „Kleines Mädchen, hier kannst 
du wohnen, baue dir ein Hüttlein unter dem Baum." 
15 „Ich danke dir, du gute Libelle," sagte Marie. Aber die surrte 
schon wieder hoch in der Luft und tanzte über den glänzenden Blättern 
der Buchen. 
Da blieb die kleine Marie den ganzen Sommer lang. Sie baute 
sich ein kleines Hüttchen aus Moos, Gras und Spinnenfaden mit einem 
20 dichten Dach, daß der Regen nicht durchdringen konnte, und spielte mit 
den Schmetterlingen, welche zum Besuch kamen, und mit den kleinen 
Käfern, welche im Moose saßen. Wenn sie hungrig war, pflückte sie eine 
Erdbeere, daran hatte sie einen ganzen Tag genug, und dürstete sie, ließ 
sie eine Glockenblume an einem Spinnfaden in den Bach hinab und holte 
25 sich ein Tröpfchen Wasser heraus. 
Die Tiere liebten die kleine Marie alle und thaten ihr zu liebe, 
was sie konnten. Sie brauchte nur ein Blumenblatt vor ihre Hausthür 
zu breiten, dann legte die erste Biene, welche vorbeikam, ein Tröpfchen 
Honig darauf. Auf den Libellen ritt sie aus, über die grünen Zweige 
30 dahin im Sonnenschein. Ja, einmal hatte eine große, starke Libelle sie 
hoch emporgetragen über die Wipfel der Bäume. Da hatte sie weit 
hinausgesehen, Wipfel an Wipfel, und nirgends ein Ende, wie ein grünes 
Meer. — Der dicke Frosch war den Bach hinuntergeschwommen und 
wohnte jetzt auf einem Blatt in der Nähe; zuweilen kam er angerudert, 
35 steckte seinen flachen Kopf mit dem breiten Maule aus dem Wasser und 
glotzte sie an und quakte recht von Grund aus: „Koarx, kvarx!" Und 
so glotzte er und quakte abwechselnd, bis es ihm langweilig ward und 
er wieder auf sein Blatt zurückschwamm. Dann bildete er sich ein, er 
hätte ihr etwas vorgesungen. Einmal warf sie ihm eine Erdbeere hinab. 
40 Er schwamm ihr nach und stieß mit dem Maule daran. „Koarx, koarx!" 
sagte er, „Dummheiten!" und ließ sie schwimmen. 
Nun ward es hoher Sommer, die Erdbeeren waren aufgezehrt, aber 
die Heidelbeeren saßen dunkelblau an ihren kleinen Bäumchen, und Marie
	        
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