Inzwischen langte ein General an und war sehr erstaunt
und erzürnt, daß die Abteilung ihren Marsch noch nicht ange-10
treten habe. Der Offizier erzählte ihm, wie der einzige Mann,
der des Weges kundig sei, sich weigre, ihr Wegweiser zu sein,
obschon er alles aufgeboten habe, ihn dazu zu bewegen. Der
Bauer ward hierauf vorgeführt. „Entweder“, rief der General
ihm zu, „du zeigst uns den rechten Weg, oder ich lasse dich 15
totschießen.“ — „Ganz gut“, erwiderte der Bauer, „so sterbe
ich als rechtschaffner Untertan und brauche nicht Landesver¬
räter zu werden.“ — Der General bot ihm erstaunt die Hand
und sprach : „Geh heim, wackrer Mann; wir wollen uns schon
ohne Führer behelfen.“ August Heinrich Petiscus. 20
208. Die Witwe und der [icmdwehrmcinn.
I h ine in Leipzig wohnende Witwe mit vier kleinen Kindern
bekam nach dem grossen Siege der Verbündeten über
Napoleon einen preußischen Landwehrmann als Einquartierung
auf einen Tag. Zu Mittag gab's Kartoffelmus, für den Soldaten
besonders noch eine Bratwurst dazu. 5
Während die Frau noch einmal nach der Küche geht, ver¬
teilt der Landwehrmann die ausschließlich für ihn bestimmte
Bratwurst unter die vier Kinder, die sich die Gabe auch sofort
wohlschmecken lassen. Die Witwe kehrt zurück, und als sie
sieht, was geschehen ist, gibt sie den Kindern ihren Unwillen io
darüber zu erkennen, daß sie die Wurst essen. Dahinter aber
verbarg sich die Angst, der Landwehrmann werde an Stelle
der Wurst etwas andres verlangen. Er aber beruhigte sie voll¬
kommen, indem er hinzufügte, er habe zu Hause grade auch
vier Kinder, wobei es ihm plötzlich naß in den Augen ward, 15
und er aß zum Gericht ein Stück Brot.
Nach dem Abmarsch des Landwehrmanns erschien bei der
Witwe ein Dienstmann und brachte einige Pakete mit Kaffee,
Zucker und Reis und einen Gruß an Mutter und Kinder von
ihrer Einquartierung. Ferdinand Schmidt. 20
200. Blücher am Rhein.
ie Heere blieben am Rheine stehn:
„Soll man hinein nach Frankreich gehn?"
Man dachte hin und wieder nach,