Full text: (Drittes und viertes Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der 
5 Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. 
Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei 
sich: „Hätt' ich ein Kind so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und 
so schwarz wie das Holz an dem Rahmen!" Bald darauf bekam sie 
ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und 
10 so schwarzhaarig wie Ebenholz und ward darum das Sneewittchen 
(Schneeweißchen) genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die 
Königin. 
2. 
Über ein Jahr nahm sich der König eine andre Gemahlin. Es 
war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermütig und konnte 
nicht leiden, daß sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden. 
Sie hatte einen wunderbaren Spiegel; wenn sie vor den trat und sich 
5 darin beschaute, sprach sie: 
„Spieglein, Spieglein an der Wand, 
wer ist die schönste im ganzen Land?" 
so antwortete der Spiegel: 
„Frau Königin, ihr seid die schönste im Land." 
10 Da war sie zufrieden, denn sie wußte, daß der Spiegel die Wahrheit sagte. 
Sneewittchen aber wuchs heran und wurde immer schöner, und als 
es sieben Jahre alt war, war es so schön wie der klare Tag und 
schöner als die Königin selbst. Als diese einmal ihren Spiegel fragte: 
„Spieglein, Spieglein an der Wand, 
15 wer ist die schönste im ganzen Land?" 
so antwortete er: 
„Frau Königin, ihr seid die schönste hier, 
aber Sneewittchen ist tausendmal schöner als ihr." 
3. 
Da erschrak die Königin und ward gelb und grün vor Neid. 
Von Stund' an, wenn sie Sneewittchen erblickte, kehrte sich ihr das 
Herz im Leibe herum, so haßte sie das Mädchen. Und der Neid und 
Hochmut wuchsen wie ein Unkraut in ihrem Herzen, immer höher, daß 
5 sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte. Da rief sie einen Jäger 
und sprach: „Bring das Kind hinaus in den Wald! Ich will's nicht 
mehr vor meinen Augen sehen. Du sollst es töten und mir Lunge 
und Leber znnl Wahrzeichen mitbringen!" Der Jäger gehorchte und 
führte es hinaus, und als er den Hirschfänger gezogen hatte und 
10 Sneewittchens unschuldiges Herz durchbohren wollte, fing es an zu weinen 
und sprach: „Ach, lieber Jäger, laß mir mein Leben, ich will in den
	        
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