Full text: (Drittes und viertes Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

187 
10. Schwager ritt auf seiner Bahn 
Stiller jetzt und trüber; 
Und die Bosse hielt er an, 
Sah zum Kreuz hinüber: 
11. „Halten muß hier Roß und Rad, 
Mag’s euch nicht gefährden; 
Drüben liegt mein Kamerad 
In der kühlen Erden! 
12. „Ein gar herzlieber Gesell! 
Herr, ’s ist ewig schade! 
Keiner blies das Horn so hell, 
Wie mein Kamerade. 
13. „Hier ich immer halten muß, 
Dem dort unterm Rasen 
Zum getreuen Brudergruß 
Sein Leiblied zu blasen!“ 
14. Und dem Kirchhof sandt-’ er zu 
Frohe Wandersänge, 
Daß es in die Grabesruh’ 5 
Seinem Bruder dränge. 
15. Und des Hornes heller Ton 
Klang vom Berge wieder, 
Ob der tote Postillon 
Stimmt’ in seine Lieder. — 10 
16. Weiter ging’s durch Feld und Hag 
Mit verhängtem Zügel; 
Lang mir noch im Ohre lag 
Jener Klang vom Hügel. 
120. Aeksazer. 15 
Heinrich Heine. 
1. Die Mitternacht zog näher schon; 
In stummer Ruh' lag Babylon. 
2. Nur oben in des Königs Schloß, 
Da flackert's, da lärmt des Königs Troß. 
3. Dort oben in dem Königssaal 
Belsazer hielt sein Königsmahl, 
4. Die Knechte saßen in schimmernden 
Reihn 
Und leerten die Becher mit funkelndem 
Wein. 
5. Es klirrten die Becher, es jauchzten 
die Knecht; 
So klang es dem störrigen Könige recht. 
10. Er trug viel gülden Gerät auf dem 
Haupt; 
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt. 
11. Und der König ergriff mit frevler 20 
Hand, 
Einen heiligen Becher, gefüllt bis zum Rand. 
12. Und er leert ihn hastig bis auf den 
Grund 
Und rufet laut mit schäumendem Mund: 25 
13. „Jehova, dir künd' ich auf ewig 
Hohn! — 
Ich bin der König von Babylon!" 
6. Des Königs Wangen leuchten Glut; 
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut. 
14. Doch kaum das grause Wort verklang, 
Dem König ward's heimlich im Busen bang. 30 
7. Und blindlings reißt der Mut ihn 
fort, 
Und er lästert die Gottheit mit sündigem 
Wort. 
8. Und er brüstet sich frech und lästert 
wild; 
Die Knechteschar ihm Beifall brüllt. 
9. Der König rief mit stolzem Blick; 
Der Diener eilt und kehrt zurück. 
15. Das gellende Lachen verstummte 
zumal; 
Es wurde leichenstill im Saal. 
16. Und sieh! und sieh! an weißer Wand 
Da kam's hervor wie Menschenhand — 35 
17. Und schrieb und schrieb an weißer 
Wand 
Buchstaben von Feuer und schrieb und 
schwand.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.