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Seite des Rechts mich halten, die Kirche und ihre Diener schützen, den
Schwachen und Unterdrückten beistehen, Witwen und Waisen vertheidigen,
mich der Unschuld annehmen, die Ehre edler Frauen verfechten und gegen
die Feinde der Christenheit kämpfen." Darauf gab ihm ein versuchter und
berühmter Ritter oder der Landesfürst drei Schläge mit dem flachen Schwerte
auf den Nacken und sprach: „Im Namen Gottes, des heiligen Michaels
und des h. Georgs schlage ich Dich zum Ritter, und dieß sei der letzte
Schlag, den Du duldest!"
Zum Ritterthume gehörte auch die Minne, d. h. ein Jeder erwählte
sich irgend eine Dame, der er das Gelübde that, ihr zu dienen sein Lebe¬
lang, ohne gerade immer eine eheliche Verbindung mit ihr zu begehren;
ja es trat wohl der Fall ein, daß sich der Ritter seiner Dame nie näherte.
Der Dienst, den er ihr leistete, bestand darin, daß er ihrer bei jeder Ge¬
legenheit gedachte, wenn von edlen Frauen geredet wurde, daß er ihre Ehre
auf Tod und Leben vertheidigte, ihre Farben trug und sich ein Losungswort
von ihr in allen Gefahren wiederholte. Dieser Minnedienst fand besonders
bei den Turnieren statt, bei denen die Ritter der Blicke und Befehle ihrer
Damen, die auf Balconen und Gerüsten saßen, gewärtig waren.
Bei den Turnieren kamen auch die Wappen auf, die als symbolisches
Zeichen auf dem Schilde des Ritters gemalt wurden. Sie dienten als Un¬
terscheidungsmerkmale den Knappen und Freunden der Ritter, da diese
durch das verhüllende Visir oft ganz unkenntlich waren.
Die Ehre, die das Ritterthum zu vertheidigen, der Schuh, den es
Schwachen gegen Gewaltthätige zu leisten hatte, rief auch eine Einrichtung
hervor, welche für die damalige Zeit sehr segensreich war und namentlich
den Verbrechen vornehmer entarteter Ritter Einhalt zu thun suchte. Diese
Einrichtung war die sogen. Vehme, auch „das heilige oder westphäli-
sche Gericht" genannt. Die Vehme war eine Justizanstalt, welche
Ritter, im edlen Sinne des Wortes, sowohl zur Befreiung von Räubereien
und anderen Gewaltthätigkeiten der Raubritter, als auch zur Bestrafung
derselben gründeten. Sie entstand in Westphalen, als nach dem. Falle
Heinrichs des Löwen die größten Unordnungen und Gewaltthätigkeiten
daselbst herrschten. Ihre eigentliche Beschaffenheit ist dunkel geblieben, denn
man suchte sie absichtlich zu verschleiern, um ihre Furchtbarkeit und den
Schrecken vor ihr zu erhöhen. So wohlthätig sie in der ersten Zeit ihres
Bestehens war, so artete sie doch späterhin auch aus, sie dauerte indeß ein
paar Jahrhunderte fort und hörte erst auf, als im I 6. Jahrhunderte eine
geordnete Rechtspflege hergestellt wurde.
H. 16. Fortsetzung. Die Romantik.
Diese Periode war, wie schon gesagt worden ist, das Blüthenalter der
Romantik, — einer Neigung zum Mannichfaltigen und Bunten, zum Wun-
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