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Nach Salomo's Tode erhob sich der Sturm und die unter so vielen
Kämpfen erlangte Einheit ging verloren. Das Land wurde in zwei
Reiche getheilt, und so ward schon zu Ende dieser Periode der Keim
gelegt zum gänzlichen Untergange des jüdischen Staates. Die Quellen
für diefe Periode sind die Bücher: Samuel, Richter und Chronik.
90. Sanl.
Saul, Sohn des Kisch aus dem Stamme Benjamin, ein schöner
Mann von hoher Statur, wurde von seinem Vater ausgeschickt, um die
ihm verloren gegangenen Eselinnen aufzusuchen. Er durchstreifte in Be—⸗
gleitung eines Dieners die benachbarten Gegenden und war schon im
Gegriffe unverrichteter Dinge zurückzukehren. Auf den Rath seines Be⸗
gleiters entschloß sich jedoch Saul den Propheten wegen des Verlustes zu
befragen. Samuel, das war der gesuchte Prophet, hatte schon den Tag
fruͤher von Gott erfahren, daß Saul, der für Israel bestimmte König,
kommen werde. Er theilte dem Ankömmlinge mit, daß der Vater bereits
die Eselinnen gefunden habe, und deutete ihm an, daß alle Herrlichkeit
in Israel für ihn und sein väterliches Haus bestimmt sei. Saul war ob dieser
Rede sehr erstaunt, und konnte sich's auch nicht erklären, daß er bei der von
einer Menge Volkes besuchten Mahlzeit, zu der ihn Samuel lud, den
Ehrenplatz einnehmen mußte und überhaupt mit aller Aufmerksamkeit
behandelt wurde. Am andern Tage Morgens kehrte Saul nach Hause
zurück. Samuel begleitete ihn. Vor der Stadt draußen ließ dieser den
Diener Saul's vorausgehen, goß aus einem Kruge Oel auf Saul's
Haupt, küßte ihn und sprach: Sieh! Gott hat dich gesalbt zum Fürsten
uͤber sein Erbvolk. Er prophezeite ihm einige Begegnisse, die er auf
dem Ruückwege haben werde. „Sind alle diese Zeichen, fuhr er fort,
eingetroffen, dann gebrauche deine Macht, denn Gott ist mit dir. Ziehe
hierauf nach Gilgal, wohin ich folgen werde, um Gott ein Opfer zu
bringen, du mußt aber sieben Tage warten, bis ich komme und dir
weitere Verhaltungsregeln ertheile.“ Samuel kehrte zur Stadt zurück,
Saul setzte seinen Weg fort, ein neuer Geist fuhr in ihn, er wurde ein ganz
anderer Mann. Eines der verkündeten Zeichen war, daß er einer Schaar
von Propheten begegnen werde, die unter den Klängen der Musik be—
geisterte Reden halten würden. Dieses, wie die andern Zeichen trafen
Jenau ein. Als der Neugesalbte der Prophetenschaar begegnete, über—
kam ihn ein göttlicher Geist, und er weissagte ebenfalls. Die Leute,
die ihn früher kannten fragten erstaunt: „Ist auch Saul unter den
Propheten?“ — Kurze Zeit nachher versammelte Samuel das Volk in
Mizpa und verkündete ihm im Namen Gottes, daß nun der für Israel
bestimmte König durch's Los gewählt werden solle. Es wurde zuerst
nach den Stämmen, dann nach Familien gelost, und Saul ging aus
dem Lose hervor. Der neue König hatte sich jedoch versteckt und mußte
erst gesucht werden. Als er erschien, stellte ihn Samuel dem Volke vor,
das jubelud ausrief: Es lebe der König! Samuel verkündete hierauf die
Grundsätze der neuen Verfassung, die in ein Buch eingetragen und in
die Lade Gottes niedergelegt wurden. Er entließ das Volk und auch
Saul, begleitet von vielen biedern Männern, kehrte in die Heimat
zurück. Es waren aber auch noch viele schlechte Leute, die den neuen