Full text: [Teil 1 = Unterstufe, erste Abteilung (2. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 1 = Unterstufe, erste Abteilung (2. Schuljahr), [Schülerband])

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§ 63. Das Hirten- oder Nomadenvolk. 
Ein bedeutender Fortschritt in der wirtschaftlichen Ent¬ 
wicklung fand statt in dem Anbau von Früchten, der freilich 
nur in dem Streuen oder Einlegen des Samens in das mit der 
Hand oder einer Art Hacke aufgewühlte Erdreich bestand. Erst 
später wahrscheinlich als diesen Hackbau, wie er noch jetzt bei 
den Malaien, Indianern u. a. besteht, lernten die Menschen die 
schwierigere Kunst, Tiere zu zähmen und in ihrem Nutzen 
zu verwenden; aus dieser Fähigkeit bildete sich eine neue Wirt¬ 
schaftsstufe, die des Hirten - oder Nomadenvolkes. Die 
Hirten sind nicht mehr bloß auf die Natur angewiesen; aber da 
die Natur allein, ohne Zutun des Menschen, die Nahrung für 
das Vieh hervorbringt, so können sie nur dort leben, wo die Erde 
die Futtermittel in hinreichender Menge darbietet; ihre Viehzucht 
ist daher räumlich sehr weit ausgedehnt: sie brauchen freie, 
weite Ebenen, Steppen, Weiden und Wiesen. Aus diesem Grunde 
erfolgt häufiger Wechsel des Wohnsitzes; die Wohnungen sind 
bewegliche Zelte (man denke an die Geschichte der jüdischen 
Patriarchen), Übervölkerung muß bald eintreten, Auswande¬ 
rung und Kriege sind notwendige Folgen, und so zeigen auch alle 
Nomadenvölker kriegerische Tüchtigkeit. 
Die Viehherden sind das Kapital, das sich beliebig 
vermehren kann. Daher entstehen große Viehherden, zugleich 
aber auch bilden sich Vermögensunterschiede: es beginnt 
der Unterschied von Besitzenden und Nichtbesitzenden, von Reichen, 
Wohlhabenden und Armen. Die Sklaverei bringt Nutzen und 
ist auf dieser Stufe vielfach vorhanden. Die politische Macht, 
d. h. die Herrschaft über den Stamm, haben gewöhnlich die 
Reichen. 
Die wirtschaftliche Existenz der Hirtenvölker ist schon ge¬ 
sicherter, ihr Geist erfinderischer und empfänglich für religiöse 
Eindrücke, aber die wirtschaftliche Tätigkeit bleibt doch meist 
innerhalb der Familie; ein Austausch und eine Arbeitsteilung 
findet noch nicht statt. 
Die Bevölkerung verdichtet sich, und größere Völker mit 
Sinn für Unabhängigkeit und Tapferkeit bilden sich, aber sie haben 
kein Heimatsgefühl, ziehen von Land zu Land und fallen oft zer¬ 
störend in Kulturländer ein. 
Besonders geeignet für diese Wirtschaftsstufe sind die Steppen 
Mittelasiens und Arabiens, und so berichtet die Geschichte von den Er¬ 
oberungszügen der Hunnen, Magyaren, Mongolen, Türken und Araber. 
Reine Hirtenvölker sind gegenwärtig z. B. die Pampasvölker in Süd¬ 
amerika und die Kirgisen am Kaspischen Meere.
	        
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