Fünfter Abschnitt.
Charakterbilder aus der Geschichte der Griechen.
I. Lykurg und Solon.
Lykurg*).
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3m Peloponnes, an den lieblichen Ufern des Eurotas, lag eine große
alte Stadt ohne Mauern und Thore. Das war Sp arta. Sie war das Haupt
der Provinz Lakonien und wurde mit ihrem Stadtgebiete auch wohl Lace-
dämon genannt. Die eingewanderten Dorier hatten sie erobert und die
Zwillingssöhne Prokles und Eurhsthenes theilten sich in die Herrschaft. Seit¬
dem hatte Sparta immer zwei Könige, den einen aus des Prokles, den andern
aus des Eurhsthenes Stamme. Die dorischen Spartaner sahen sich als die
Vollbürger und Herren deS Landes an, die unterworfenen Lakonier aber für
ihre Unterthanen und Erbpächter. Hart drückte auf diese die neue Herrschaft
und die Einwohner der Stadt HeloS waren die ersten, welche ihr altes Recht
mit den Waffen in der Hand wieder gewinnen wollten. Allein der Versuch
mislang. Die stolzen Spartaner nahmen aus Rache den Besiegten nicht nur
das beschränkte Landeigenthum, sondern auch die persönliche Freiheit. Die
Heloten wurden Sklaven und ihr Schicksal theilten Alle, die später noch
für ihre Freiheit gegen die Spartaner zu kämpfen wagten.
Bald erhob sich aber auch Zwietracht unter den vornehmen Bürgern
selber und diese standen gegen die Könige auf, wenn letztere nach ihrer Mei¬
nung zu streng regierten. In einem solchen Aufstande geschah es, daß der
König Eunomos, der Vater des Lhkurgos, mit einem Küchenmesser er¬
stochen ward.
Er hinterließ die Regierung seinem ältesten Sohne Polhdektes. Dieser
starb jedoch bald und nun glaubte Jedermann, sein jüngerer Bruder LhkurgoS
sei sein Nachfolger. Lykurg übernahm das Regiment. Da erfuhr er, daß seine
Schwägerin, die Wittwe des verstorbenen Königs Polhdektes, ein Kind unter
ihrem Herzen trage. Sogleich erklärte Lykurg den Thron für das Eigenthum
*) Nach „Baßler — hellenischer Heldensaal."