Full text: Leitfaden für die Vorlesungen über die Geschichte

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Thebais, Thine, Memphis und mehrere andere, - überall 
einen Tempel mit einem Priesterkönige. 
Der Nil, welcher jährlich, nach anhaltenden Regen- 
güssen in Äthiopien, anschwillt, Ägypten auf einige Zeit 
mit Wasser bedeckt, und durch Zurücklassung eines fetten 
Schlammes eine beispiellose Fruchtbarkeit bewirkt, mußte 
zu immer weiter schreitenden Ansiedelungen reizen. 
So früh übrigens Ägypten ein organisirter Staat war, urre;!st'ztei 
so ungewiß ist doch seine ältere Geschichte bis ungefähr ihihte Uqys: 
700 Jahre vor Christi Geburt. Die Priester Ägyptens ens 
hatten höchst wahrscheinlich keine Buchstabenschrift. Hier- Hieroglyphen. 
roglyphen (bildliche Darstellungen) waren auf ihren Denk- 
malen angebracht. Wenn diese Hieroglyphen nicht bloß 
Geburten der Phantasie waren, – wenn sie wirklich histo- 
rische Ereignisse darstellen sollten, so war doch ihre Deu- 
tung durch Jahrhunderte und durch die mündliche Über- 
lieferung so vieler Generationen bereits ganz verunstaltet, 
als Ägyptens Priester mit nationaler Ruhmredigkeit dem 
Herodot die Geschichte ihrer Vorfahren erzählten. Darum 
bemerkt er auch, daß es erst kurz vor Psammetich in der 
Geschichte Ägyptens Licht werde. 
Alles was die Priester aus älterer Zeit von Proteus, 
Bocchoris, Möris, Sefsostris erzählten, gehört so ziemlich 
in das Gebieth der Fabel. 
Selbst darüber, wie früh, wie lang und oft Ägypten 
im Ganzen Ein Reich gebildet, oder in mehrere Priester- 
reiche getheilt war ? lehrt uns die Geschichte nichts Klares. 
Übrigens, wo wir gegen die Erzählungen Herodots und 
Diodors mit Recht mißtrauisch sind, sprechen Denkmale 
deutlich. Hier gilt das: Saxa loquuntur. 
Die Pyramiden zeugen eben nicht von dem guten Ger- Pyramiden. 
schmacke der Ägyptier , wohl aber von dem Despotismus 
ihrer alten Könige, welche so ungeheure Steinmassen (viel- 
leicht nur zu Grabstätten der eiteln Pharaonen) auf ein- 
ander häufen ließen, mit dem Schweiße von vielleicht Hun- 
derttausenden ihrer Unterthanen *). 
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*) Der k. k. Obristlieutenant Prokesch von Osten, welcher an 
Ort und Stelle sah, urtheilt von dem Gesschmacke an den Py-
	        
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