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auf die Reise, es wird Sie nicht stecken lassen!" und hiermit zählte
er ihm 6 glänzende Augustd'or auf den Tisch und rief zum Fenster
hinaus:
„Johann! sattle den Braunen und gieb auch die Halfter mit; der
Herr Actuarius soll in einer Stunde auf mehrere Tage verreisen!"—
Der junge Mann nahm Geschenk und Anerbieten des gütigen Ober¬
amtmannes dankbar an, bestieg den stattlichen Braunen und ritt fröh¬
lichen Herzens der Sächsischen Schweiz zu. — O wie erfreute ihn der
Anblick der erwachten Natur, wie konnte er sich nicht satt sehen an Thal
und Berg, an Feld und Wald und Strom! „Ja!" rief er mit inniger
Erhebung aus, „das ist das heilige Fest, wo du, Vater im Himmel,
deinen Geist immer noch über alle Welt ausgießest!"
Er entwarf in Gedanken einen Reifeplan, er überlegte, wo er über¬
nachten, wo er Freunde aufsuchen und sie zur Begleitung mitnehmen
wolle. „Auf der Bastei," dachte er, „wirst du mit ihnen stehen, ver¬
sunken in das Anschauen der reizenden, erhabenen Naturbilder; dann
willst du allein in den Amselgruud hinabsteigen und in der tiefen Ein¬
samkeit dort selig sein, willst endlich in Schandau die Freunde wieder¬
finden und mit ihnen auf dem Pfingstballe dort dich recht satt tanzen." —
So war er schon einige Stunden weit geritten, als er an einem
kleinen einzeln liegenden Gasthause anhielt, damit auch der Braune bei
dem Pfingstritte wohl gepflegt werden möge. Ein-junges, hübsches Mäd¬
chen fragte höflich nach seinem Begehr, brachte ihm dann Brod für das
Pferd und schöpfte selbst einen Eimer Wasser aus dem Brunnen.
Während sie diesen dem Braunen vorhielt, bemerkte der Actuarius, daß
bei aller scheinbaren Freundlichkeit dennoch Thränen in ihren Augen
standen, die sie zu verbergen strebte. —
„Du weinst ja, mein liebes Kind," sprach er sanft; „bringt dir
denn das Pfingstfest keine Freude?" — Das Mädchen konnte nicht ant¬
worten; da fuhr er fort: „Sieh, wie schön und heiter ist der Tag —
ich bin so froh und möchte gern Alles um mich auch fröhlich sehen!
Schenke mir dein Vertrauen, nenne mir deine Noth, vielleicht kann
ich dir helfen!"
Das Mädchen schüttelte leise mit dem Haupte und fing laut an
zu weinen. „Ach!" sprach sie endlich, „dort schleicht mein armer blin¬
der Vater an den Krücken; er sieht das Licht nicht mehr, das ihn er¬
wärmt; für ihn giebt es kein Fest, denn auch die nothdürftigste Er¬
quickung fehlt. Die Zeiten sind drückend, die Menschen sind hart; und
ob ich gleich zur möglichsten Ersparniß sogar die Magd verabschiedet
habe und nun selbst alle ihre Dienste verrichte, es hilft mir doch nichts;
Schuld häuft sich auf Schuld, eine Noth folgt der andern, und heute
früh haben sie uns sogar die letzte Kuh abgepfändet. Der Vater weiß
noch Nichts davon; eben als Sie kamen, verlangte er etwas warme
Milch — ich kann ihm nur das Brunnenwasser reichen."
„Du lieber Gott!" sprach der Actuarius für sich, „dein Himmel
ist voll heitern Sonnenglanzcs, deine Erde voll Blüthen und Gesang,
und dieses fromme Herz soll in Kummer, diese schönen Augen in Thrä¬
nen übergehen? — Ich bin zur rechten Stunde gekommen! — Lebt
wohl, ihr blauen Berge! Lebe wohl, du mächtiger Strom! Hier ist