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Sie sprach: „Der Fürsten einer heißet Hartmut:
Dem dienen weite Lande und feste Burgen gut; •
Der andre heißt Ludwig von Normandie der reiche.
Ihnen dienen viel der Helden; sie sitzen ruhmvoll hier in ihrem Reiche."
„Gern möchten wir sie sehen," sprach da Ortwein.
„Könnt ihr uns bescheiden, ihr schönen Mägdelein,
Wo wir die Fürsten beide in ihrem Lande finden?
Wir sind an sie gesendet, selber eines Königs Ingesinde."
Gudrun die hehre sprach zu den Helden da:
„Ich ließ sie in der Feste, heute Morgen sah
Ich sie zu Bette liegen wohl mit vierzighundert Mannen;
Ich weiß nicht zu sagen, ob sie seitdem geritten sind von dannen."
Da sprach der König Herwig: „Könnt ihr uns sagen,
Vor wem denn die Kühnen so große Sorge tragen,
Daß sie so viel Helden halten zu allen Zeiten?
Zög' ich damit zu Felde, ich möchte wohl ein Königsland erstreiten."
„Das können wir nicht sagen," sprachen die Frau'n,
„Wir wissen auch nicht, wohinaus liegen ihre Gau'n.
Ein Land liegt in der Weite, das heißt Hegelingen:
Sie fürchten zu allen Zeiten, das möcht' ihnen grimme Feinde bringen."
Oft blickte Herwig die Jungfrau forschend an;
Sie schien so schön dem Degen und auch so wohlgethan,
Daß es ihn im Herzen tief zum Seufzen brachte:
Sie glich so sehr der einen, an die er oft inniglich gedachte.
Da sprach von Ortland wieder der König Ortwein:
„Ich frag' euch Mädchen beide, sollt' euch bekannt nicht sein
Ein fremdes Ingesinde, das kam zu diesem Land?
Eine war darunter, die wurde Gudrun genannt."
Sie sprach: „Die ihr da suchet, die hab' ich wohl gesehn
In großen Mühsalen, das will ich euch gestehn."
Sie war der Mädchen eine, die da Hartmut brachte:
Ja Gudrun war sie selber, daher sie dieser Dinge wohl gedachte.
Da sprach der König Herwig: „Nun seht, Herr Ortewein:
Sollt' eure Schwester Gudrun noch am Leben sein
In irgend einem Lande von allen Erdenreichen,
So schwür' ich, diese wär' es: niemals sah ich ihr ein Weib so gleichen."
Da sprach König Ortwein: „Sie ist minniglich;
Jedoch meiner Schwester nicht vergleicht sie sich:
Aus unser beider Jugend gedenk' ich wohl der Stunde,
Da hätte man auf Erden kein so schönes Mägdlein gefunden."