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gewöhnliches Fischerboot See halten konnte, und kein anderes lag
im Hafen. — Immer näher kam der schreckliche Augenblick; die
Dorothea konnte nur noch wenige Kabellängen vom Vogelsande ent¬
fernt sein. Da stand das Fahrzeug still, die Segel fielen nieder.
Der kühne Schiffer hatte mitten in der Brandung Anker geworfen;
wenn dieser faßte und hielt, so war das Schiff gerettet. Mit
athemloser Erwartung blickten hundert Augen auf einen Fleck; das
Weib klapperte hörbar mit den Zähnen. Mit einem Male trieb
das Schiff langsam vom Anker weg, und mit gellendem Schrei sank
die Frau zusammen. Da hatte plötzlich Jaspersen wieder alle Segel
aufgezogen und begann aufs neue den hoffnungslosen Kampf gegen
den Orkan, bis die Dunkelheit einbrach und alles verhüllte. Keiner
ging schlafen, keiner verließ den Platz; immer noch stierten die Leute
hinaus und harrten mit dumpfem Entsetzen des Tages. Neben
ihnen lag leise wimmernd das unglückliche Weib.
Gegen Morgen legte sich plötzlich der Sturm; nach und nach
wurde es lichter, der Tag begann zu grauen, und kaum eine halbe
Seemeile entfernt lag die Dorothea, mit vollen Segeln auf den
Hafen zusteuernd. Jauchzend eilte alles zum Strande, und eine
Viertelstunde später umschlang Jaspersen sein Weib, — aber eine
alte Matrone, die er vor wenigen Tage als blühende junge Frau
verlassen. Die furchtbare Angst der einen Nacht hatte tiefe Furchen
in ihr Antlitz gegraben, ihre Wange und ihr Haar gebleicht.
v. Schubert.
121. Der Ausbruch des Vesuv im Jahre 1868.
Schon beim Ankommen mit der Eisenbahn hatte ich meine
ganze Aufmerksamkeit auf den Vesuv gerichtet; es war Nacht ge¬
worden, und durch diese trat nun der glutrothe Gipfel des Vesuv
in furchtbarer Pracht hervor. Je näher der Zug Neapel kam, desto
großartiger wurde das Schauspiel; immer schärfer zeichnete sich der
glühende Krater am dunklen Himmel ab, und Feuergarben, glühende
Steine und dicke Rauchwolken wirbelten aus dem feurigen Schlunde.
Das war am 13. November abends.
Schon am 14. begann die unterirdische Thätigkeit des Berges
sich mit furchtbarer Gewalt zu entwickeln, und am 15. erhob sich
auf dem obern Gebirgssattel unterhalb des alten Kraters ein neuer
Kegel, der mit furchtbarem Krachen aufborst. Aus ihm ergoß sich
ein glühender Lavastrom über den Gebirgssattel, der sich langsam,
aber unaufhaltsam abwärts schob, während der alte Hauptkrater
auf dem Gipfel des Berges nur eine dicke, mit Feuerstreifen durch¬
zogene schwarze Rauchwolke ausstieß.