Full text: Reallexikon des classischen Alterthums für Gymnasien

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’Opgptxa — Osiris. 
den Hades hinab, um die Geliebte wiederzuholen, 
mtb rührte durch seinen Gesang nnd sein Saiten¬ 
spiel die Königin der Schatten so sehr, daß sie 
ber Eurydike gestattete, dem Gemahl zur Ober¬ 
welt zu folgen, unter der Bedingung, daß er 
nicht eher sich nach ihr umsehe, als bis sie die 
Oberwelt erreicht hätten. Aber O. sah sich vor¬ 
eilig um, und Euridike mußte zur Unterwelt 
zurückwandern. Verg. G. 4, 454 ff. Ov. met. 
10, 1 ff. Er soll auch die Argonauten begleitet 
unb durch seinen Gesang mannigfache Wunder 
zum Heil seiner Genossen gethan haben. Seinen 
Tod sand er durch thrakische Weiber, die ihn zer¬ 
rissen, weil er sich der Feier der Orgien wider¬ 
setzte, ober weil er nach Verlust seiner Gattin 
alle Frauen haßte. Sein Haupt unb seine Leier- 
warfen sie ins Meer; sie schwammen nach der 
Sängerinsel Lesbos hinüber. Sein Grab sollte 
in Pierien sein oder in Libethra in Makedonien. 
Homer erwähnt den O. nicht, obgleich er den 
filtert thrakischen Sänger Thamyris kennt (Hom. 
11. 2, 595.). O. ist eine ähnliche Gestalt wie 
Lin05 (s- d.). Wie dieser war er ursprünglich 
ein zerrissener, früh bem Tobe verfallener schöner 
Jüngling, bessert Tod beklagt warb; ber in Ge¬ 
sängen beklagte warb bann selbst in ber Bor¬ 
stellung bcr Menschen ein berühmter Sänger. —- 
In späterer Zeit, besonders seit Peisistratos, bil- 
bete man O. zu einem Sühn- ltub Weihepriester 
um, so baß mau diesen O. ganz von dem Sänger 
trennte. Er galt als das Haupt und der uralte 
Stifter einer seit etwa 600 v. C. entstandenen 
mystischen Sccte, ber Orphiker (vgl. My steria, 
4. 6.), bereu Mittelpunct ber mystische Cult bes 
Dionysos-Zagreus war, unb bie eine eigenthüm¬ 
liche speeulative Theologie und eilte auf asketischen 
Satzungen bcrithenbe Lebensweise (ßio$ ’Opytzös) 
ausbildeten. Ihre Lehre ist gegen bie homerische 
Theologie überhaupt unb gegen bie homerische 
Vorstellung von bcm Zustande ber Seele nach 
dem Tode besonders gerichtet. Es macht sich eine 
paiithcistischc Auffassung geltend, bie an dem der 
Volksreligion eingepflanzten Monotheismus zehrt 
(i. Mgelsbach, nachhom. Theol. S. 402 f.). Diese 
^ecte schrieb bem O. eine Menge von Sühuge- 
l>milchen unb Weihungen (Eutsündigung unb Hei¬ 
ligung war bas Ziel dieser Mysterien), allerlei 
mystische Schriften, Orakel u. bgl. zu, welche in 
iljrer Mitte, zum Theil sehr spät, entstauben 
waren. Von diesem O. sagt Aristoteles, baß er 
nicht existirt habe. Gic. n. d. l, 38. — Abbil¬ 
dung: Eurydike, von Orpheus aus ber Unterwelt 
heraufgeholt, wird, ba biefer sich auf bem Wege 
umgeschaut, von Hermes wieber hinabgeführt; 
Relief in bcr'Villa Albaui zu Rom. 
Orphica, verschiedene, fälschlich des 
Orpheus Namen tragende Gebichte, bie von ber 
Kritik in ein spätes Zeitalter verwiesen sittb 
unb sämmtlich aus nachchristlicher Zeit stammen: 
1) ’slQyovavTi-Ktx, ein episches Gebicht von 1384 
Hexametern über die Argonautensahrt, nach G. 
Hermann unb F. Jacobs zwischen dem 2. und 4. 
Jahrh. ii. E. entstanden und von sehr mittelmä¬ 
ßigem Werth; 2) v[ivol (tsXsxul), 87 an Zahl, 
nach Lübeck aus dem byzantinischen Zeitalter, 
vielleicht auch von verschiedenen Verfassern, dürf¬ 
tig in ihrer Form und ohne innern Gehalt; 3) 
.h-O'ixa, Gedicht von der magischen Kraft der 
Steine, nach Tyrwhitt aus der Kaiserzeit des 
Konstantins und Valens, zeigt Geschmack und for¬ 
male Gewandtheit. Ausgg. von Eschenbach (1089), 
Gesner (1764), G. Hermann (1805); der ’AQyo- 
vcivTiy.u von Schneider (180:3), der Al&ihdc von 
Tyrwhitt (1781). Vgl. Lobeck, Aglaophamus (2 
Bdd. 1829). 
Orsilöclios s. Diokles, 1. 
Orthagoras, ’Op'S’aydpors, ein Sikyonier von 
geringer Herkunft, der sich um 670 v. E. an der 
Spitze des Volks zum Tyrannen von Sikyon er¬ 
hob, die Herrschast durch Mäßigung unb Klug¬ 
heit behauptete und aus seine Nachkommen ver¬ 
erbte. Arist. pol. 5, 9. 
Ortliia, oq&lu, s. Artemis. 
Ortliros s. Herakles, 9. 
Ortöiia, ’Öqtcov , 1) Hafenstadt der Frentauer 
in Mittelitalien, noch j. Ortona a Mare. Strab. 
5, 242. — 2) Stadt der Aequer in Latium, viell. 
j. Oritola. Li v. 2, 43. 3, 30. 
Ortygia s. Delos, Ephesos, Syracusae. 
Oytvyoxoxia, OQrvyofiavia, OQrvyo&riQai, 
OQzvyoTQoepoL s. ’AXsyiTQVovcov dycovsg- 
_ Orxines, ’ÜQ^irr/g, ein persischer Feldherr und 
Verwandter der königlichen Familie, kämpfte 
gegen Alexander in der Schlacht bei Gaugaincla 
und bemächtigte sich während dessen Abwesenheit 
in Indien der Satrapie von Persis, wurde aber 
von tretn Könige nach seiner Rückkehr, so sehr sich 
Orxines auch bemühte, ihn zu gewinnen, mit 
dem Tode bestraft. Gurt. 10, 1. Arr. 6, 30. 
Oska, ’Öffxa, bedeutende Stadt der Jlcrgctcu 
im tarracoueusischeu Hispanieii; j. Htteska in Ärra- 
goniett. riut. Sert. 14. S'trab. 3, 161. Caes. 
b. c. 1, 60. 
’S>0%o<p6()ia, bakchisches Erntefest, am 7. 
Pyanepsion (CDct.—9iot>.) zu Athen gefeiert. Flut. 
Thes. 22. 23. Weittranfeu mit Trauben wurden 
von auserlesenen 20 Ephebeu aller Stämme (2 
aus jedem Stamme) im Wettlmife aus bem Tem¬ 
pel des Dionysos in Limimi in beit ber Athene 
Skiras im Phalcron gebracht. Die 10 Sieger 
erhielten jeber eine Schale mit einem aus beit 5 
hauptsächlichsten Jahreoproducteu (Wein, Honig, 
Käse, Mehl, Ocl) gemischten Getränke (mvxix- 
nlon) als Preis unb einen Ehrenplatz in der nun 
folgenden Proeessiou. Der Festzug (einem singen¬ 
den Ehor gingen 2 Jünglinge in Weiberkleiduug 
voran) ging von dem Oschophorion, einem Platze 
vor dem Tempel der Athene, nach dem des Dio¬ 
nysos, wo die Phytaliben ein Opfer brachten. 
Den Beschluß machte ein Opferschmaus. Die 
Athener setzten bieses Fest in Beziehung zu bcm 
Zuge bes Tyeseus nach Kreta. Vgl. A. Moiitin- 
seu, Heortologie S. 271 ff. 
Osci s. Italia, 7. 
0seines s. Divinatio, 19. 
^ Osi wird von Taeitus {Germ. 28. 43.) eine 
Völkerschaft Germaniens genannt, in einem wal¬ 
digen Gebirgslaude hinter bett Quadern wohnend, 
denen sie tributpflichtig waren: sie hatten pau- 
nouische Sprache und Sitten. Sie wohnten 
wahrscheinlich zwischen den oberen Läusen der 
Oder und der Weichsel. 
Osiris, ’ÜGLQig, eilt ägyptischer Gott, ber nebst 
Isis am allgemeinsten im ganzen Laube verehrt 
ward. ]Ldt. 2, 42. Mit Isis steht er im engsten 
Zusammenhange; am gewöhnlichsten betrachtete
	        
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