Das Leben, die Arbeit und die Gesellschaft der Menschen. 331
Da riefen alle verwundert: „Vater, wo sollen wir Brot suchen, ohne es zu
betteln?"
Hansjörg antwortete und sprach: „Ob wir gleich in der Welt nicht eigen
Haus und Hof haben, eigen Wald und Gärten, so fällt doch manches hin, was
keinem gehört und was keiner will, und daraus machet Geld. Ich will's euch aber
lehren, denn viele Hunderte verstehen dies Kunststück nicht. Und wenn ihr euch
damit Geld erworben habt, so sammelt es und verzehrt es nicht. Bringet ihr es
nur erst dahin, daß ihre alle Tage gegessen und getrunken habt und alle Tage nur
einen Batzen erübrigt von eurem Verdienste, so hat jeder von euch in einem Jahre
schon vierundzwanzig Gulden gewonnen. In zehn Jahren sind das schon zwei-
hundertundvierzig Gulden." (Wie viel Mark?)
Darauf führte Hansjörg seine drei Söhne durch Dorf und Stadt, und Feld
und Wald.
Er ließ sich alle großen Beine und Knochen sammeln, die weggeworfen waren,
und an geschickte Dreher verkaufen, die dergleichen zu mancherlei verarbeiteten.
Desgleichen lasen sie alles alte Glas in große Säcke zusammen und verkauften es
an die Glaser. Im Sommer brachten sie große Päcke von gesammelten Wachholder¬
beeren, Salbei, Rosenblättern, Holunderblüten u. dgl. in die Apotheke und wurden
schön bezahlt und bekamen frische Bestellung. Alle Kuhhaare sammelten sie und
Roßhaare, wo solche zu finden waren. Hatten sie einen Haufen beisammen, so
trugen sie die Kuhhaare zu den Tapezierern, die Roßhaare zu den Sattlern, Stuhl-
und Wagenmachern, und das alles brachte Geld ein und war doch nur im Vorbei¬
gehen gesammelt. Ebenso suchten sie Schweinsborsten zusammen für Bürstenbinder,
alles Gedärme von geschlachtetem Vieh, das sie fleißig auswuschen, trockneten und
den Saitenmachern brachten, die dergleichen gern kauften. Wo man ihnen Asche
gab, schleppten sie solche zusammen. Da waren denn immer Seifensieder und
andere Handwerker, die dieselbe gern hatten. — Wollene und leinene Lumpen hoben
sie sorgfältig auf; je größer ihr Haufen war, den sie an den Papiermacher ver¬
kauften, desto dicker schossen die Batzen aus dessen Taschen hervor. — Ja, keine
Feder, die zur Bettfeder taugte, keine Feder aus einem Gansflügel, die zur Schrcib-
feder taugte, durfte verloren gehen. Und ging es gleich damit langsam, so kamen
doch nach Monaten ansehnliche Bündel unvermerkt zusammen.
Im Herbste nun gab es für die drei Knaben vollauf zu thun. Wo es erlaubt
war, suchten sie das wilde Obst zusammen, woraus verständige Haushaltnngcn
Essig, Most und andere nützliche Sachen bereiteten; im Walde suchten sie eine
außerordentliche Menge von Samen der Eichen, Buchen, Hagebuchen, Birken,
Erlen, Ulmen u. dgl. zusammen, der ihnen von den Oberförstern und Samen¬
händlern theuer bezahlt ward. Unter den wilden Kastanienbäumen lasen sie die
Kastanien in ihre Säcke auf, ließen sie in einer Mühle mahlen, wo man sie zwar
auslachte, weil der Müller meinte, sic wollten das Mehl von diesen bittern Kastanien
essen, die kein Thier und kein Mensch genießen mag; aber die kleinen Söhne des
Hansjörg ließen den Müller lachen und verkauften ihr Kastanienmehl schön an die
Buchbinder, Tapezierer und andere Handwerker zu Kleister und Pappe. — Und
wenn es nichts zu thun gab, so wuchsen doch nach einem warmen Regen Pilze
und Schwämme für die Leckermäuler in der Stadt, oder es gab Moos zu scharren,