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VII.
Bilder aus der Geschichte.
244. Im Hause der alten Deutschen.
Hugo Weber.
Zu der Zeit, als Jesus Christus im fernen Palästina geboren
wurde, sah eß in unserer Heimat ganz anders aus als heute. Es gab
keine Dörfer und Städte, keine Landstraßen und Brücken, keine Wein—
berge, keine Din- und Blumengärten, keine Roggen- und Weizenfelder;
aber die Berge standen schon wie heute, die Gewässer flossen wie heute,
die Sonne ging jeden Tag im Osten auf und im Westen unter; der
Mond war bald voll und bald wie eine Sichel. Tag und Nacht,
Sommer und Winter, Wärme und Kälte, Sonnenschein und Regen
wechselten Fon ab. In jener eit war unsere Heimat ein weiter und
wilder, feuchter und sumpfiger Wald. Nicht nur Hirsche und Rehe,
Hasen und Füchse, Drosseln und Nachtigallen, sondern auch Wölfe und
Bären, Elentiere und Auerochsen gab es darin. In diesem Walde
wohnten die alten Deutschen, ein starkes und mutiges Volk, unsere
Vors ren. See liebten die Freiheit und haßten die Städte; daher
stand x Haus einsam und allein, mitten im Walde, erst eine halbe
Stunde davon wohnte ein Nachbar. Ihr Haus war aus Baumstämmen
aufgeden“ Fugen waren mit Moos verstopft und mit Lehm über—
klel“ e hur war bunt bemalt. Ringsherum um das Haus lag der
Hof, „r Sammelplatz der Haustiere, den man mit Gräben und Wällen,
grünen Hecken und Gattern einfriedigte. An den Hof grenzten die
Felder, welche Sklaven mit starken Tieren umpflügten. Die Pflugschar
war ein starker, breiter Stein, mit einem Riemen an einen Balken ohne
Räder befestigt. Hinter den Feldern zogen sich herrliche Wiesen tief in
den Wald hinein; Herden von Pferden und Rindern weideten darauf.
Treten wir ein in das Haus! Es enthält nur einen einzigen
Raum, aber groß genug, um den Hausherrn mit Weib und Kindern,
mit Knechten und Mägden, mit Kampf-, Trink- und Spielgenossen und
den Gastfreund zu beherbergen. Festgestampfte Erde ist der Fußboden,
ein Strohdach die Decke. Mitten im Hause am steinernen Herde steht
eine große, stattliche Gestalt mit glänzenden, blauen Augen, weißer
Hautfarbe und roten Wangen. Es ist die Frau des Hauses, die
Herrin; ihr goldgelbes Haar fällt lose in langen Locken bis über die
Hüfte herunter. Sie ist bekleidet mit einem leinenen Gewande, das mit
bunten Bändern und Purpurstreifen geziert ist. Sie hat es von
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