Wichtige Bestimmungen enthält das Gesetz über die Kinderarbeit. Kinder,
die noch nicht 18 Jahre alt sind, dürfen in Fabriken nicht beschäftigt
werden, ältere nur dann, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule
verpflichtet sind. — Mit dem Erlaß all' dieser Gesetze hat aber die Für—
sorge für die arbeitenden Klassen nicht aufgehört. Wiederholt hat der
Kaiser selbst auf die Beseitigung von Übelständen hingewiesen, und fast
Jahr für Jahr beschäftigt sich der Reichstag mit neuen Maßnahmen zum
Wohle der Arbeiter. Wohl mag noch mancher berechtigte Wunsch zu er—
füllen bleiben; aber dankbaren Herzens wollen und müssen wir uns doch
des Ruhmes freuen, daß unser Vaterland unter seinen Hohenzollern—
kaisern mehr für das Wohl der arbeitenden Klassen getan hat, als irgend
ein anderes Land in der ganzen Welt.
267. Ein Wort Kaiser Wilhelms über die Aufgabe der
deutschen Flotte.
Nach Fedor v. Köppen.
1. Im November 1897 kam aus dem fernen Osten Asiens eine Kunde,
die in Deutschland große Entrüstung und gerechten Zorn hervorrief. In
der chinesischen Provinz Schantung waren zwei deutsche Missionare von
Chinesen ermordet worden. Kaiser Wilhelm war entschlossen, für diese
Freveltat volle Sühne zu fordern. Sobald die ruchlose Tat in Deutsch—
land bekannt geworden war, stellte er bei der chinesischen Regierung seine
Forderungen. Er verlangte von ihr eine Entschädigung in Geld für die
Familien der ermordeten Missionare, den Wiederaufbau der bei dem Auf—
ruhr in Schantung zerstörten Kirche, strenge Bestrafung der Mörder und
der Beamten des Bezirks, in dem der Aufstand stattfand, und schließlich
die Absetzung des Statthalters von Schantung. Um den Kaiser von
China willig zu machen, diese Forderungen zu gewähren, mußten die
Chinesen im eigenen Lande Deutschlands Macht fühlen. Darum erhielt
der Vize-Admiral Otto von Diederichs Befehl, mit zwei Kriegsschiffen,
die in den ostasiatischen Gewässern kreuzten, den an der Südküsie der
Provinz Schantung gelegenen Hafen von Kiautschou (spr. Kjautschu) mili—
tärisch mit Beschlag zu belegen. Gleichzeitig nahm Kaiser Wilhelm darauf
Bedacht, die Bucht von Kiautschou durch Verhandlungen mit der chinesischen
Regierung dauernd für das Deutsche Reich zu erwerben. Bisher hatte
es nämlich den deutschen Kriegs- und Handelsschiffen, die in dem ostasia—
tischen Meere fuhren, an einem sicheren Hafen gefehlt, in dem sie jederzeit
Schutz und Unterkunft finden konnten. Gelang es nun, einen solchen zu
erwerben, so brauchte unsere Flotte künftig nicht mehr heimatlos in den
chinesischen Gewässern herumzuschwimmen.
2. Die Verhandlungen mit China gingen schneller von statten, als man
erwartet hatte. Die chinesische Regierung erklärte sich bereit, alle deutschen
Forderungen im vollen Umfange zu erfüllen. Auch zeigte sie sich gewillt,
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