Griechenland, welches noch vor einigen Jahren vom türkischen Sultan
beherrscht wurde, war in den allerältesten Zeiten von den Griechen
oder Hellenen bewohnt. Diese Griechen waren freilich ein ganz ande¬
res Volk als die heutigen Griechen. Auch herrscht heute über Griechen¬
land ein König; damals war Griechenland in viele Staaten getheilt,
von denen jeder seinen besonderen Herrscher hatte. Die bedeutendsten
dieser Staaten waren Sparta, Athen und Theben. An Sit¬
ten, Bildung und Gebräuchen unterschieden sie sich von einander. Als
sie sich durch Eroberungen immer mehr erweiterten, und ein Staat
mächtiger wurde als der andere, entstand Eifersucht und Haß unter ih¬
nen. Nur wenn es galt, einen gemeinsamen auswärtigen Feind zu be¬
siegen, oder wenn die großen Volksfeste gefeiert wurden, kamen sie zu¬
sammen und vergaßen den Groll, den sie gegen einanderl.hegten. Wir
wollen uns erst Einiges merken, was alle Griechen gemeinsam angeht.
§. 6. Die olympischen Spiele. Wie die Inder und Ae-
gypter in ihrer Religion nicht einen einzigen Gott, sondern mehrere
Götter hatten, eben so finden wir auch bei den Griechen viele Gott¬
heiten. Die Inder hatten Tempel für ihre Götter und stellten ihnen
zu Ehren festliche Tänze an. Die Griechen thaten etwas Aehnliches.
Außer der Verehrung, welche sie ihren Göttern in Tempeln brachten,
hielten sie ihnen auch noch festliche Spiele. Es pflegten sich dann ent¬
weder alle Griechen oder nur einzelne Landschaften zu versammeln
und ihrem obersten Gotte Zeus oder einen! Heros zu Ehren Festver¬
sammlungen und Spiele zu halten. Später verlor sich diese Bestim¬
mung, und die Spiele waren nichts anders als Volksfeste- Die merk¬
würdigsten sind die olympischen Spiele. Sie wurden in -der Landschaft
Elis gefeiert. Ein von Hügeln umgebener Platz war in zwei Theile
getheilt. Der eine Theil, etwa 600 Fuß lang, war zum Wettrennen
bestimmt; auf dem andern weit längeren Platze fuhren die Wagen.
Unten befanden sich Bänke für die sogenannten Kunstrichter und ein
wenig höher Bänke für Musiker. Auf den Hügeln rings herum saßen
viele Tausende von Zuschauern, welche durch ihr Jubelgeschrei die
Kämpfer lobten oder tadelten. Eine Mauer, die sich durch den Platz
hindurch zog, war mit Bildsäulen, kleinen Tempeln und Altären ge¬
schmückt. Der linke Theil, für Reiterübungeu bestimmt, hieß Hippo-
dromos, den rechten, auf dem die Kämpfe und Wettrennen zu Fuß
statt fanden, nannte man Stadion. — Die Spiele nahmen mit
Sonnenaufgang ihren Anfang. In der vorangehenden Nacht wurden
den Göttern Opfer und Gesänge gebracht. Die nackten und mit Oel
gesalbten Kämpfer und Athleten traten vor und schwuren den Göttern,
daß sie sich zehn Monate lang zu den Kämpfen vorbereitet und ein