Full text: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

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Wärme und Licht erzeugt; sie erfolgt unter der Erscheinung von 
Feuer. Ähnlich sind die Veränderungen, welche Pflanzen und 
Thierstoffe bei längerer Aufbewahrung erleiden; sie verwandeln 
sich, während sie verfaulen oder verwesen, nach und nach in 
Luftarten, die zum Theil einen sehr unangenehmen Geruch 
besitzen. 
Solche Vorgänge, welche nicht bloss die äussere Form, sondern 
das ganze innere Wesen der Körper umwandeln, nennt man 
chemische Vorgänge. Durch sie werden, oft unter Erwärmung 
oder Feuererscheinung, die Körper nach Gewicht, Form, Festigkeit, 
Farbe, Geschmack, Geruch, Wirkung so von Grund aus verändert, 
dass aus ihnen ganz neue Körper mit ganz neuen Eigenschaften 
entstehen. Wohin wir nur blicken auf der Erde, überall gewahren 
wir chemische Erscheinungen: auf dem Festlande, in der Luft, wie 
in der Tiefe des Meeres, im Reiche der todten Gesteine, wie im 
Reiche des Lebendigen, in Pflanzen und Thieren. Der festeste 
Stein wird nach und nach mürbe; er verändert seine Farbe, zer¬ 
fällt zu kleinen und immer kleineren Brocken und wird endlich zu 
Erde. Eine Kartoffel, in die Erde gelegt, wird weich; ihr zuvor 
mehliger Geschmack süss, dann faulig; endlich verschwindet sie 
gänzlich. Was hier wie Vernichtung aussieht, ist aber nur chemische 
Verwandlung. Aus den ekelhaften Producten der Fäulniss bildet 
die Schöpferkraft eine lebensfrische neue Pflanze und alle darin 
vorkommenden verschiedenartigen Stoffe, z. B. Zucker, Stärke, Öle. 
Die Knollen der Kartoffelpflanze bilden eines unserer wichtig¬ 
sten Nahrungsmittel. Das darin enthaltene Stärkemehl lässt sich 
in Wasser nicht auflösen, im Magen aber erfährt es sehr schnell 
eine solche Veränderung, dass es aufgelöst oder verdaut und 
sodann als Flüssigkeit dem Blute zugeführt werden kann. Das 
Blut trifft in den Lungen mit der eingeathmeten Luft zusammen; 
dabei verändert es seine Farbe, und auch die Luft verändert ihre 
Beschaffenheit, und durch diese Veränderungen entwickelt sich die 
Wärme, welche wir in unserm Körper fühlen. Es erhellt hieraus, 
dass auch in unserm Körper, wie in dem der Pflanzen chemische 
Vorgänge stattfinden; die Pflanze und das Thier wie der Mensch 
bestehen aus chemischen Stoffen, und chemische Vorgänge sind es, 
welche ihnen nicht nur ihre Nahrung zubereiten, sondern sie auch 
verdauen und in Thier- oder Pflanzenstoffe umwandeln helfen. Hört 
das Leben endlich auf, so sind es wieder die chemischen Processe, 
die als Todtengräber der Natur die alte Wahrheit in Erfüllung 
gehen lassen: Was von Erde ist, soll wieder zu Erde werden. Was 
uns Vernichtung scheint, ist aber nur Verwandlung. Die bei der 
Verbrennung oder Verwesung nicht vernichteten, sondern nur un¬ 
sichtbar gewordenen Stoffe finden sich in anderer Form in der Luft 
wieder; aus dieser werden sie durch die in den lebenden Pflanzen 
vorhandenen chemischen Kräfte wieder zur Erde herabgezogen. 
Wir sehen hieraus, wie die unergründliche göttliche Allmacht sich 
die chemischen Vorgänge zu Dienern bestellt, um durch sie den 
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