V. Aus dem staatlichen, gesellschaftlichen und
kirchlichen Leben.
169. Vum Begen der Urbeilerversicherung.
Franz Bredich war der Sohn eines armen Arbeiters, der als Maurer
seine Familie kümmerlich ernährte. Vater Bredich verdiente täglich nur
1,80 MA, und da Franz noch vier jüngere Geschwister hatte, so war es
natürlich, daß zu Hause Schmalhans gar oft Küchenmeister war. Besonders
im Winter litt die Familie nicht selten Not; denn an Frosttagen hörten die
Maurerarbeiten auf, und der Vater mußte versuchen, durch Steineklopfen
und Schneeschippen etwas zu verdienen. Das Schlimmste war, daß er sich
keiner festen Gesundheit erfreute und manchmal mehrere Wochen überhaupt
nicht arbeiten konnte. Damals bestand das Gesetz über die Krankenversiche—
rung der Arbeiter noch nicht. Wenn Bredich durch Krankheit verhindert war,
Arbeit zu übernehmen, so versiegte für ihn sofort jede Einnahmequelle. Oft
verzögerte sich seine Genesung, weil er keinen Arzt zu Rate ziehen konnte,
denn er hätte ihn bezahlen müssen, während heutzutage jedem Arbeiter freie
ärztliche Behandlung gewährt wird. So kehrten denn Not und Elend bei
ihm ein; und nur der rastlose Fleiß seiner Ehefrau und die milden Gaben
einiger christlich gesinnten Nachbarn, die den nüchternen und ordentlichen
Maurer schätzten, bewahrten seine Familie vor dem bittersten Hunger.
Nach einem langen und harten Winter hatte Bredich Anfang April
wieder bei dem Maurermeister Freitag Arbeit bekommen. Er wurde auf
einem Neubau beschäftigt, den Herr Freitag sobald als möglich vollenden
wollte. Daher fand sich für Bredich Gelegenheit, durch Uberstunden seinen
Tagesverdienst zu erhöhen. Es gewährte ihm eine große Freude, wenn er
die Mehreinnahme jeden Sonnabend seiner Frau aushändigen konnte. Diese
verwandte das Geld dazu, die kleinen Schulden, die man im Winter hatte
machen müssen, nach und nach abzutragen.
Eines Vormittags im August war Frau Bredich mit dem Ausbessern
der Wäsche beschäftigt, als plötzlich die Stubentür aufgerissen wurde und eine
ihr unbekannte Stimme hineinrief: „Herr Freitag läßt Ihnen sagen, daß
Ihrem Manne ein schweres Unglück zugestoßen ist“ Vor Schrecken ließ sie
die Stopfnadel fallen und sank in den Stuhl zurück; sie ward von einer
unbeschreiblichen Angst ergriffen und fürchtete das Schlimmste. In der Tat