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Endlich zieht davon der Schwarm.
Aber nun werden die Tage warn:,
aber nun brechen die Blätter heraus,
30 aber nun reifen die Früchte aus.
An jedem Afte die Körbe schwer,
richtet er's jetzt für die Großen her:
Stützt ihm die Arme, daß er nicht
unter dem eigenen Segen bricht!
Ferdinand Avenarins.
124. Die Geschichte einer Erbse.
1 - ülu einem schönen Frühlingsmorgen guckte ein zartes, feines
Pflänzchen mit zwei sehr kleinen, grünen Blättern heraus aus der
dunkeln Erde. „Ei, wie hell doch der Sonnenschein ist und wie
frisch die Luft", sagte es; ein Freudenschauer ging durch die kleine
Pflanze, da sie sich regte und erwachte in der schönen Welt.
„Ich wünschte, ich würde größer", war ihr Gedanke. Und
nicht lange währte es, da durchzogen dünne Wurzelfäserchen die
Erde, um Nahrung zu suchen für das junge Gewächs, auf daß es
gedeihe. Und ihr Bemühen hatte Erfolg. Tag um Tag schickten die
Wurzelfäserchen nahrhaften Saft dem hungrigen Stengel zu. Und
Tag um Tag wurde der Stengel stärker und fester. Bald sproßten
immer mehr Blätter aus ihm heraus und weiterhin kleine, zarte
Ranken, die die Nachbarn umfaßten, um sich festzuhalten tm Empor¬
klimmen. Am liebsten hätten die zarten Pflanzen alle gar die glänzende
Sonne erreicht in der Freude über ihr weiches, grünes Kleid und die
zarten, kletternden Ranken. Nicht wunschlos aber war diese Freude.
Jeder der Erbsenstengel sagte sich im geheimen: „Ob ich nicht noch
schönere Sachen hervorbringen mag als meine grünen Blätter und
die sich windenden Ranken?" ■—- Bald sollte der Wunsch in Erfüllung
gehen. Schon begann hier und da eine kleine grüne Knospe im
Winkel der Blätter zu wachsen, eine Knospe, die in wenigen Tagen sich
zu einer zierlichen, grünweißen Blüte öffnete. Jetzt konnte die Erbse
stolz sein und froh und zufrieden. „Was gibt es Schöneres", sprach
sie, „als meine liebliche Blüte, was Anmutigeres als ihren süßen
Duft und ihre artige Färbung! Mir können andre Pflanzen gar
leid tun, die nicht so liebliche Blumen aufweisen können wie ich."