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stellt sie am Abend unter dem Jubel der Kleinen am Hause auf und freut
fich, wie die Vögel zwitschern werden, wenn sie am Morgen den Reichtum
entdecken.
In den Städten aber sieht man große Wagen wie zur Erntezeit mit
Korn beladen auf den Märkten aufgefahren und die Leute kommen und
und kaufen davon viel oder wenig, aber auch die Ärmsten etwas, und wenn
es nur für einige wenige mühsam ersparte Pfennige wäre. Besonders die
Kinder sind eifrig und freudig dabei beschäftigt und befestigen die verkauften
Ahrenbündel vor den Häusern oder an den Fenstern.
Am Weihnachtsmorgen ist es dann eine Lust zu sehen, wie die kleinen,
lieben Vögel aller Art kommen und picken und hüpfen und flattern und dazu
zwitschern, als wollten sie allen sagen, wie fröhlich und dankbar sie sind.
Nun, ihr deutschen Knaben und Mädchen, könnt ihr es den Sper—
lingen und den andern Vögeln unseres Landes verdenken, wenn sie zur
Welhnachtszeit gern nach Schweden ziehen möchten, um dort auch Weihnachten
zu feiern?
Aber das wäre für die armen Tierchen schwer ins Werk zu setzen, und
sie würden wohl unterwegs umkommen in Sturm und Kälte. Und würdet
ihr nicht gar ungern den kleinen, braunen Sperling missen, dessen Gezwitscher
auch im kalten Winter so traulich in euren Morgentraum hinein klingt?
Möchtet ihr darum nicht lieber wie die kleinen Schweden und Schwedinnen
im hohen Norden die Vögel zur Weihnacht teilhaben lassen an der großen
Freude der Welt? Es wäre kein großes Werk; aber es würde unser Fest
noch reicher und schöner machen und eure Herzen noch froher schlagen lassen,
wenn euch aus kalter Winterluft die Vögel ein fröhliches „Hab dank!⸗
und „frohe Weihnachten!“ zuzwitschertken.
147. Des fremden Kindes heilger Christ.
Frankfurt a. M., 1847. S. 229.
Friedrich Rückert. Gedichte.
1. Es läuft ein fremdes Kind
Am Abend vor Weihnachten
Durch eine Stadt geschwind,
Die Lichter zu betrachten,
Die angezündet sind.
3. Das Kindlein weint und spricht:
„Ein jedes Kind hat heute
Ein Bäumchen und ein Licht
Und hat dran seine Freude,
Nur bloß ich armes nicht!
2. Es steht vor jedem Haus
Und sieht die hellen Räume,
Die drinnen schaun heraus,
Die lampenvollen Bäume;
Weh wird's ihm überaus.
4. An der Geschwister Hand,
Alb ich daheim gesessen,
Hat es mir auch gebrannt;
Doch hier bin ich vergessen
In diesem fremden Land.