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VITI. Aus der Erd- und Völkerkunde.
aber doch nicht jedermanns Sache, selbst wenn er, wie im Lande seiner
Herkunft, mit einer ebenso dicken Butterlage bestrichen wird, als die
Stärke der Brotschnitte beträgt. Ja mancher wird das Urteil jenes
Franzosen unterschreiben, der das seltsame Wort nach seiner Art mit
don pour niekel (gut für Nickel — Schweine, Hunde, Kaninchen)
erklärte, während es entweder aus donus xmnieulus (gutes Brot) ent¬
standen oder eine volkstümliche deutsche Bildung ist.
Was den Genuß der flüssigen Nahrungsmittel betrifft, so standen
die Sachsen bis zum Beginn der Neuzeit im Rufe der stärksten Bier¬
trinker, ernteten also das zweifelhafte Lob, das jetzt ohne Bedenken
den Bayern erteilt wird. Indes sind jene Zeiten des übertriebenen
Biergenusses für das nordwestliche Deutschland vorüber. Jetzt hat in
den niederen Ständen der Gerstensaft einen bedeutenden Nebenbuhler
am Branntwein, in den höheren am Rotwein und am Tee erhalten;
ja vielfach spielt der letztere im Haushalt der Familie eine solche
Rolle, daß z. B. in Flensburg die Abendstunden danach bestimmt
werden: vor dem Tee, zum Tee und nach dem Tee. Zuweilen wird
von westfälischen und hannoverschen Landleuten noch heute der alt¬
deutsche Labetrunk aus gegorenem Honig (Met) zum Willkommengruße
gereicht.
Wie der Niedersachse in dieser Beziehung seiner alten Gewohnheit
treu geblieben ist, so hat er auch in anderer Hinsicht die Sitte und
Art der Väter sorgfältig gewahrt. Das zeigt sich schon in seinen!
Äußern. Wenn irgendwo, so findet man im nordwestlichen Deutsch¬
land den germanischen Körpertypus unverfälscht erhalten. Mit Recht
bemerkt Annette v. Droste-Hülshoff, es gebe in ihrer Heimat alte
Flachsköpfe, die vor Blondheit nicht grau würden, und nach den Unter¬
suchungen, die Professor Virchow vor einer Reihe von Jahren an den
Schulkindern Deutschlands, Österreichs und der Schweiz hat vornehmen
lassen, ist der stärkste Prozentsatz Blondhaariger und Blauäugiger im
Norden. Auch entspricht der schmale Gesichtsschnitt und der schlanke
Wuchs der Niedersachsen am besten den Vorstellungen, die wir uns
von den alten Germanen zu machen pflegen; wir begegnen ihm, jedoch
vereinigt mit brünettem Typus, nur noch im Südosten, dagegen weisen
der Nordoften und der Südwesten, wo stärkere Mischungen mit Slaven
und Kelten stattgefunden haben, viel Menschen mit dem Lutherschen
Breitgesicht auf. Dabei sind die stattlichen Gestalten der Sachsen
kraftbegabt, gestählt durch Feldarbeit oder durch den unaufhörlichen
Kampf mit den Wogen, gegen deren zerstörende Tätigkeit es gilt, un¬
ermüdlich „auf dem Damme" zu sein.
Ebensowenig wie die äußere Erscheinung hat sich bei ihnen die
Anlage von Haus und Hos geändert, vielmehr entspricht die Bauart