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94. Ochs und Esel.
Gottlieb Konrad Pfeffel. Fabeln und poetisens Errahlungen. Lerausg. v. Nauss.
1. Bd. Stuttgart, 1840.
1. Ochs und Esel zankten sich
Beim Spaziergang um die Wette,
Wer am meisten Weisheit hätte;
Keiner siegte, keiner wich.
2. Endlieh kam man überein,
Dass der Löwe. wenn er vollte,
Diesen Streit entscheiden sollte,
Und was konnte klüger sein?
3. Beide treten tiefgebückt
Vor des Tierbeherrschers Throne,
Der mit einem edlen Hohne
Auf das Paar hinunter bliekt.
Endlieh sprach die NMajestãt
Zu dem Esel und dem PVarren:
„Ihr seid alle beide Narren!“
Jeder gafft ihn an und geht.
95. Zwei lebendig begrabene Kinder.
Gotthilf Heinrich von Schubert. Märchen und Erzählungen. Erlangen, 1855.
Zwei Mägdelein von 11 bis 12 Jahren wollten an einem Spät—
wintertage ihre Verwandtin und Patin, die in einem benachbarten
Dorfe wohnte, besuchen. Den Spinnrocken in der Hand gingen sie
aus ihrem Dörfchen durch den Wald nach dem Berge hinauf und
achteten der Schneeflocken nicht sonderlich, die immer häufiger und
dichter herabfielen; denn sie waren ja bald halben Weges, und jenseits
des Tannenwaldes, das wußten sie, konnte man das Dorf, in dem
die Pate wohnte, schon sehen. Aber da sie nun oben auf der Höhe
und mitten im Walde sind, da wird das Schneegestöber so furchtbar,
daß die armen Kinder gar keinen Weg mehr sehen und nicht mehr
vor- oder rückwärts können. Da drängen sie sich am Rande eines
Hohlweges in eine kleine Halle hinein, die der Schnee über ein niederes
Tannengebüsch hinweggewölbt hatte; vorher aber stecken sie ihre beiden
Kunkeln) in einander, so daß eine kleine Stange daraus wird, be—
9 Sypinnrocken.