Full text: Mit einer Einleitung: Zur Methodik des deutschen Unterrichts (Teil 1 = 3. Schuljahr (Septima), [Schülerband])

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festigen oben ein rotes Tüchlein daran und stellen dann dieses Not— 
zeichen auf dem Dach ihres Schneehäuschens auf. Da nun die Nacht 
kam, und das Schneegestöber immer ärger wurde, so daß gar bald 
der ganze Eingang zur Halle zugeschneit war, und man durch den 
Schnee hindurch das Geschrei des Uhus und das Brausen des Sturmes 
in den Tannen kaum noch hören konnte, da mag es den armen Kindern 
wohl bange genug geworden sein. Waren sie doch ohnehin dort im 
Schnee bei lebendigem Leibe schon begraben, ohne Sarg, und ohne daß 
der Totengräber eine Schaufel angesetzt hatte. Aber Gott schützte 
die Kleinen vor wilden Tieren und vor dem tödlichen Froste, und, 
eng an einander gedrängt, schliefen sie zuletzt ein. 
Ihre Eltern schliefen zu Hause auch ruhig, denn sie meinten, die 
Kinder wären bei der Patin wohl aufgehoben. Als sie aber am 
andern Morgen einen Boten ausschickten, der die Mädchen holen sollte, 
und dieser sie nicht fand, da ging- sogleich jedes, das laufen konnte, 
mit Schaufeln und Schippen hinaus in den Schnee, um die Kinder 
zu suchen. Man kam bei diesem Suchen auch an den Hohlweg, und 
dort sah man das Notzeichen der Kleinen, die beiden zusammengesteckten 
Spinnrocken mit dem roten Tüchlein, das gerade noch ein wenig aus 
dem Schnee herausstand. Da konnte man sich nun denken, daß die 
Mädchen auch nicht weit davon verborgen sein müßten; deshalb rief 
und schrie man sehr laut. Und die Kinder drinnen in ihrer kalten 
Kammer hörten das Rufen, sie antworteten darauf und versuchten 
zugleich, mit ihren Händen sich herauszuarbeiten. Dies aber wäre 
ihnen wohl unmöglich gewesen, wenn nicht die Männer außen, die 
den Laut von innen vernommen hatten, mit Schaufeln den großen 
Schneehaufen, der um die Mädchen her lag, hinweggearbeitet hätten. 
Denn der ganze Hohlweg war in der Nacht zugeschneit, und es war 
nur gut, daß die kleinen Tannenbäumchen das schwere Dach von 
Schnee noch so getragen hatten, sonst wären die Kinder erstickt. So 
aber kamen sie ganz wohlbehalten heraus ins Freie, keines ihrer 
Glieder war von Frost beschädigt, denn der Schnee hatte sie gegen 
den scharfen Wind zugedeckt, und sie hatten sich eines am anderen er— 
wärmt. 
Die Eltern aber und alle Leute im Dorfe freuten sich gar herz— 
lich über die Rettung und Bewahrung der guten Kinder und dankten 
Gott inniglich dafür.
	        
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