Full text: Deutscher Dichterhain

— oun — 
Hans Eschelbach. 
Im Maien. 
1. Die Blumen, sie haben's sich ausgetauscht, 
Der Schmetterling aber hat's heimlich erlauscht, 
Der sagt es den Bäumen, die haben's gerauscht: 
Die Welt ist so sonnig, so wunderschön, 
Wenn im blühenden Flieder die Winde wehn 
Im Maien! 
2. Das heimliche Kosen im Blätterschwall, 
Es hat es vernommen die Nachtigall, 
Die hat es gesungen mit jubelndem Schall: 
Die Welt ist so sonnig, so wunderschön, 
Wenn die murmelnden Bäche auf Reisen gehn 
Im Maien! 
3. Mein Herz hat gehört, was die Nachtigall sang, 
Hat die Wunder bewundert am Bergeshang, 
Und jauchzend stimmt's ein in den freudigen Klang: 
Die Welt ist so sonnig, so wunderschön 
In dem Auge dein hab' ich die Lieb' gesehn 
Im Maien! 
Ostermorgen auf dem Iriedhofe. 
Wieder war ein neuer Frühling, Ostern war herangekommen, 
In gewalt'gen Hymnen klangen Osterglocken allen Frommen. 
ONtermorgen, Osterfrieden, Osterjubel, Osterhoffen: 
Überall seid ihr willkommen, jedes Herz steht froh euch offen. 
Und mich hielt's nicht mehr zu Hause bei den Büchern, bei den Truhen; 
Nach dem Friedhof, nach dem Friedhof! Hin, wo meine Toten ruhen! 
Meine Toten, die da ruhen unter schattigen Cypressen, 
Meine Toten, die im Leben nimmermehr ich kann vergessen, 
Meine Toten, die im Leben mir so viele Lieb beschieden: 
0 O ich komme, ja ich komme; nicht zu stören euren Frieden, 
Nein, ich will ganz fromm und leise an geweihte Stelle treten, 
Lächeln will ich unter Thränen, hoffen will ich, ich will beten. 
Ostern will ich heute feiern, Ostern feiern bei den Toten. 
Seid gegrüßt ihr Frühlingsblümchen, seid gegrüßt viel liebe Boten! 
O, ihr lächelt wie in Wehmut. Ist es nicht, als ob da riefe 
Jedes kleine Frühlingsblümchen stille Grüße aus der Tiefe? 
Seid gegrüßt ihr kleinen Veilchen, seid gegrüßt ihr schlanken Loden! 
Hier an diesem kleinen Hügel steh' ich auf geweihtem Boden. 
Jahre sind es, lange Jahre, daß die harten Männer haben 
Mitleidlos und ohn' Erbarmen eine Mutter hier begraben. 
Und ein kleines Mädchen schluchzte, und die Bäume hörten's stöhnen, 
Und die Vögel sangen fühllos. Wollten sie den Schmerz verhöhnen? — 
Heute kann das kleine Mädchen nicht an diesen Hügel treten;
	        
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