Full text: Auswahl deutscher Dichtungen aus dem Mittelalter

Wenn's ihm in vollen Maßen fließt zum Lateran, 
So übt er eine arge List, wie er schon eh' gethan. 
Er sagt, wie sehr das Reich der Hülfe müsse harren, 
Bis neues Geld ihm senden alle Pfarren. 
Des Silbers glaub' ich, kommt nicht viel zur Hülf in's heil'ge Land 
So großen Schatz gibt selten der Pfaffen Hand. 
Herr Stock, ihr seid zum Schaden hergesandt, 
Daß unter deutschen Leuten ihr sucht Thörinnen und Narren 
Sonst und Jetzt. 
„O weh, wohin entschwunden ist mir Jahr um Jahr? 
Hab' ich geträumt vom Leben, oder ist es waähr? 
War wirklich denn vorhanden, was den Sinn befing? 
So hab' ich wol geschlafen, daß es mir entging. 
Nun erwacht ich wieder und ist mir unbekannt, 
Was mir zuvor bekannt war wie die eigne Hand; 
Und Leut' und Land, da ich erzogen ward als Kind, 
Die sind mir fremd geworden, als wär' es eitel Wind. 
Die mir Gespielen waren, sind nun träg' und alt, 
Verwüstet ist das Feld, verhauen ist der Wald. 
Nur daß das Wasser fließt sowie es floß zuvor, 
Sonst müßt ich wähnen, daß ich gar den Verstand verlor. 
Mich grüßt so mancher lässig, der Freundschaft einst mir bot; 
Die Welt ist allenthalben voll Beschwer und Noth. 
Ach, wenn ich denk an manchen wonniglichen Tag, 
Die mir sind verronnen all, wie in das Meer ein Schlag: 
Immer mehr o weh! 
O weh, welch' trüben Anblick nun die Jugend beut, 
Die ehedem im Herzen war so hoch erfreut! 
Jetzt kennen sie nur Sorgen; ach, warum thun sie so? 
Wohin das Aug' ich wende, nirgend ist man froh. 
Tanzen, Lachen, Singen vergeht vor Kummer gar; 
Nie sah ein Christenmensch solch' eine trübe Schaar. 
Nun merkt doch, wie den Frauen Kranz und Schleife steh'n, 
Und bäurisch angethan die stolzen Ritter geh'n. 
Ungnäd'ge Briefe kamen her von Rom in's Land, 
Uns ist gestattet Trauer, und Fröhlichkeit verbannt. 
Das schmerzt mich tief im Herzen — wir lebten freudevoll — 
Daß jetzt ich statt des Lachens Weinen wählen soll. 
Die freien Vöglein selbst bekümmert unser Schmerz, 
Was Wunder nun, wenn mir darob verzagt das Herz? 
Was sprech ich thör'ger Mann aus zornerfüllter Brust? 
Wer hier nach Lust gesucht, verscherzie dort die Lust. 
Immer mehr o wehl 
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