Aus der Geschichte des Mittelalters
Die Neuordnung der Mittelmeerwelt in der Zeit vom 5. bis
zum 9. Jahrhundert.
Übersicht.
Die Neuordnung der Mittelmeerwelt und der angrenzenden
Gebiete wird herbeigeführt
1. durch die Germanen, die sich nicht mehr dienend dem Reiche
einfügen, sondern die Herrschaft an sich reißen, und
2. durch die Mohammedaner.
Die einheitliche, geschlossene, von der römischen Herrschaft zu¬
sammengehaltene und von der christlich-antiken Gesittung erfüllte Kultur¬
welt wird zersprengt; es bilden sich zunächst zwei neue Kreise, der
eine, der in Rom, der andere, der in Byzanz seinen Mittelpunkt findet.
Beide Teile, obwohl durch die Religion verbunden, trennen sich infolge
der Verschiedenheit des Charakters ihrer Bewohner, der Sprachen, Sitten,
Einrichtungen, geschichtlichen Überlieferungen und der zunächstliegenden
politischen Aufgaben allmählich immer schärfer voneinander. Von beiden
scheidet sich drittens die Welt des Islams und stellt sich ihnen in un¬
versöhnlichem Gegensatz gegenüber.
Räumlich ordnen sich die drei Gebiete so, daß sich der Westen
Europas an Rom anschließt, die Balkanhalbinsel und Kleinasien
Byzanz treu bleiben, der Islam den alten Orient, Nordafrika und
die Südspitzen von Europa einnimmt; das erste erweitert sich über die
Mitte und den Norden, das zweite über den Osten unseres Erdteils,
der Islam dehnt sich nach den weiten Räumen Zentralasiens hin
aus. Rom und Aachen, Konstantinopel, Damaskus, Bagdad und
Cordoba sind im 8. Jahrhundert die Hauptstädte der drei Gebiete.
Romanen, Germanen und die am weitesten nach Westen woh¬
nenden Slawen sind die Bewohner des römisch-germanischen Kultur¬
gebietes, die Völker der Balkanhalbinsel und Kleinasiens und später
die Hauptmasse der Slawen die des griechisch-orientalischen; die Se¬
miten, die iranischen Arier und nordafrikanischen Hamiten gehören
dem Islam an.
Diese vom 5. bis 9. Jahrhundert geschaffene Neuordnung der Mittel¬
meerländer und Europas erhält sich in ihren Grundzügen durch das
ganze Mittelalter bis zur Gegenwart.