Full text: [Teil 1 = Kl. 6, [Schülerband]] (Teil 1 = Kl. 6, [Schülerband])

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wird für einen Lsel dreißig Jahre nicht zu reichlich bemessen sein; denn er 
hat keine natürliche Sprache." Der Hektar war es zufrieden, und Till 
dachte: „Unser sind drei: stirbt der Uektor, der schon ein alter Herr ist, so 
bin ich frei,- sterbe ich, wer will mich dann mahnen,- stirbt mein Schüler, 
so bin ich gleichfalls ledig." 
Ulso nahm Till den Lsel in die Lehre, um ihm das Lesen beizubringen, 
und bedang sich fünfhundert Taler aus, wenn es gelänge. Davon ward 
aber ein Teil im voraus bezahlt, so hatte Lulenspiegel es ausgemacht. 
Er zog nun mit seinem Lsel in die Herberge „Zum Turm", wo ein lustiger 
Wirt hausete, und mietete dort einen Stall allein für seinen Schüler; für 
sich selbst aber bestellte Lulenspiegel täglich gut Lssen und Trinken. 
Dann kaufte sich Till einen alten Psalter; den legte er seinem Lsel in die 
Krippe und streute zwischen die Blätter des Buches Hafer. Das ward der 
Lsel bald inne, und um des Hafers willen schlug er die Blätter mit dem 
Maul fleißig um; wenn er aber keinen Hafer mehr zwischen den Blättern 
fand, schrie er: „3 —a, i—a!" 
Uls Till die Gewohnheit des Lsels merkte, ging er zum Uektor und 
sprach: „hochwürdiger Herr, wann wollt 3hr einmal sehen, was mein 
Schüler gelernt hat?" 
„Lieber Meister," fragte der Uektor, „will er denn auch Lehre an¬ 
nehmen ?" 
„Lr ist von außerordentlich grober Urt," antwortete Lulenspiegel, 
„und es wird mir schwer, ihn zu lehren; doch hab' ich ihn mit viel Fleiß 
und Mühe dahin gebracht, daß er das Blattumwenden begriffen hat; 
auch etliche Buchstaben, sonderlich vokale kennt und nennt er schon. 3st 
es Luch genehm, Herr Uektor, so geht mit mir, um es selbst anzusehen 
und anzuhören." 
Der gute Lsel hatte nun den ganzen vormittag fasten müssen, weil 
Till dachte: ein voller Bauch studiert nicht gern. Jetzt, da Till mit dem 
Uektor und etlichen Magistern in den Stall trat, war Meister Langohr 
ganz tüchtig hungrig und daher nach seines Lehrmeisters Grundsätzen zum 
Lernen besonders gut aufgelegt. Lulenspiegel stellte seinem Schüler ein 
neues Buch in die Krippe, und sobald der Graue das sah, begann er eifrig 
mit dem Maul die Blätter umzuwenden und nach Hafer zu suchen; wär 
nur ein Körnlein darin gewesen, er hätt' es auch herausgelesen. Allein 
es fand sich kein Hafer in dem Buch, und also fing der Lsel an mit lauter 
Stimme: „3—a, i—a!" zu schreien. „Seht, liebe Herren," sprach Lulen¬ 
spiegel, „das Umblättern versteht er schon, und die beiden Buchstaben 3 
und R, die dort auf der letzten Seite stehen, kennt er auch bereits; ich 
hoffe, er wird noch klüger." 
Der Uektor war mit diesem ersten versuch wohl zufrieden; aber
	        
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