Zweite Periode.
I. Äon Odoaler bis aus Karl den Großen.
Vom I. 476 bis 800.
1. Theoderich, König der Ostgothen.
Das Reich der Hunnen war nach Attila's Tode von den Ostgothen
zertrümmert worden. Von jetzt an wohnten diese wieder selbstständig in
dem angestammten Lande zwischen den Karpathen, der Donau und der
Theiß, im heutigen Ungarn. Ihr Fürst Theudomir hatte mit dem
griechischen Hose einen Vertrag geschlossen, kraft dessen er demselben nut
seinen Leuten Kriegsdienste leisten wollte. Sein Sohn Theoderich
wurde als Geisel in Constantinopel erzogen, von wo er als 18jähriger
Jüngling zu seinem Volke zurückkehrte, in römischer Kriegs- und Staats¬
kunst wohl unterrichtet, um seines Vaters Herrschaft zu übernehmen.
Was Furcht und Zuneigung nur immer verleihen konnten, das
wandte der oströmische Kaiser Zeno verschwenderisch dem jungen Theo¬
derich zu, der ihm eine Zeit lang ein treuer Diener war. Bald aber
trieb der jugendliche Herrschermuth den König der Gothen in andere
Bahnen. Bei Gelegenheit einer Hungersnoth in Jllyrien, die seinem
Volke gefährlich zu werden drohte, brach er aus Pannonien und Mosten
auf gegen Italien. 200,000 streitbare Männer mit Weiber und Kindern
folgten ihm, um in dem westlichen Lande eine neue Heimath zu ge¬
winnen. Es war zu Ansang des Winters 488, als die gothischen
Schaaren aufbrachen, um den Eroberungszug nach Italien anzutreten.
Die lange Wagenreihe, auf welchen sich die Frauen und Kinder nebst
allen Habseligkeiten befanden, folgten den Kriegsschaaren zu Fuß und
zu Roß, so daß der Zug vollkommen den Charakter eines wandernden
Volkes zeigte. v , rr „ ...
Italien hatte indeß Odoaker zu Rom als deutscher Heerkomg
und römischer Patricier geherrscht, mit Ruhm und Gerechtigkeit wie von
ihm gesagt wird. Der Einbruch der Ostgothen stürzte seine Herrschaft.