fullscreen: Lehrbuch der Geschichte der älteren orientalischen Völker und der Griechen (Teil 1)

I. § 1. Über Religion und über ©taatsformen. 3 
Währung dessen, was er wünschte, zu bestimmen. Von dem, was man glaubte mit 
der Götter Hülfe erlangt zu haben, wurde ihnen dann zum Danke ein Theil (als 
der ihnen gebührende Antheil) geopfert. So entstand der Gottesdienst (der Eni tu s). 
Der Mensch muß die Macht der Götter ehren durch Geb et und Opfer, die Götter 
aber verkünden den Menschen ihren Willen durch Orakel*) und Zeich en, ja selbst, 
indem sie ihnen persönlich erscheinen. 
2. Über Staatsformen. 
Ein Staat ist eine größere Anzahl seßhafter Menschen, welche in einem 
Lande unter einer obersten Gewalt sich zu einer Gesammtheit vereinigt haben. 
Wie die Völker in ihren Begabungen verschieden sind, so sind es auch ihre 
Staatsordnungen-, aber dieselben sind alle gut, so lange unter ihnen eine Ver¬ 
vollkommnung der Menschen möglich ist. 
Das erste Zusammenleben der Menschen, so lange sie 'nomadisch lebten, das 
Stamm- oder Gemeindeleben, entwickelte sich aus dem Familienleben. In 
diesem war von Alters her der Familienvater Herrscher und zugleich Priester. 
Wenn sich nun aus einer Familie neue bildeten, so blieben dieselben unter dem ur¬ 
sprünglichen Familienhaupte, welches so nach und nach zu einem Stammesoberhaupte 
wurde und die patriarchalischen (vaterherrlichen) Rechte eines Familienhauptes 
über die Stammgenossen ohne Vertrag und Gesetze ausübte. 
Wenn sich die Stämme in festen Wohnsitzen niederließen, so trat allmählich 
eine Vertheilung der Arbeit ein, und mit dieser eine Verschiedenheit der Stände. 
Die einzelnen Familien wurden nach ihrer Beschäftigung geschieden; daraus entstand 
eine Ungleichheit auch in Rang und Recht. 
Sobald ein Volk in feindliche Berührung mit einem anderen Volke kam, ent- 
wickelte sich bei ihm ein kräftiger Kriegerstand, durch welchen meistens die patri- 
archaische Staatsform mit mehreren Stammesoberhäuptern in ein Fürstenthum 
(Monarchie, d. h. Herrschaft eines Einzigen über Alle) umgewandelt wurde. Das 
nunmehr fürstliche Oberhaupt des Staates, der Monarch (Herzog, König, Kaiser 
u. s. w.), gehörte den Edelsten des Volkes (dem Adel) an; sein Geschlecht ist der 
Herrscherstamm (die Dynastie). 
In Asien, wo unter den Einflüssen eines heißen Klima's und einer üppigen 
Natur die Menschen bald erschlafften und in knechtischen Gehorsam verfielen, bildete 
sich ein unbeschränkter Despotismus (Gewaltherrschaft) mit dem Rechte der Erb¬ 
lichkeit aus. Ein Despot (Gewaltherrscher) ist unumschränkter Herr über Leben 
und Eigenthum feiner Unterthanen. Die asiatischen Despoten beherrschten oft ein 
so großes Reich, daß sie nicht in allen seinen Theilen selbst Heerführer, Schiedsrichter 
und Verwalter fein konnten. Sie übertrugen daher ihre Gewalt an solche, welche 
zwar ihnen gegenüber rechtlos waren, die aber zu dem ihnen untergebenen Volke 
in demselben Verhältnisse standen, wie der Alleinherrscher zu ihnen. 
Im Orient blieb der Despotismus die hauptsächliche Staatsform. Bei 
den Griechen und Römern ging aus dem Königthum die Republik (Freistaat) 
hervor. In einem solchen Staate sind die Rechte aller Angehörigen desselben gleich. 
Oft aber bemächtigen sich in der Republik edle Geschlechter der Regierungsgewalt, 
und es bildet sich eine Aristokratie (mächtiges Adelthum) aus. Solche Geschlechter 
strebten schon von Alters her nach Macht, Reichthum und Ehre für ihren Stand. 
Das Volk suchte sich dann gegen ihren Mißbrauch der Regierungsgewalt zu schützen, 
indem es geschriebene Gesetze verlangte. 
Wenn die edlen Geschlechter nicht mehr von vaterländischer Gesinnung erfüllt 
waren und, der Gefetze nicht achtend, sich besondere Rechte vor dem übrigen Volke 
schufen, so bildeten sie eine Oligarchie (Herrschaft Weniger). Gegen solche Aus¬ 
schreitungen pflegte sich das Volk endlich zu empören und eine Demokratie (Volks- 
Herrschaft) zu errichten, in welcher es selbst die Regierungsgeroalt besaß. 
. Häufig auch trennte sich aus den Vornehmen ein Einzelner von seinen Standes- 
genossen, wurde. Führer des Volkes und stürzte die Oligarchie. Er erhielt dann von 
dem dankbaren Volke die AHei nherrf ch aft, die Tyrannis,**) welche aber immer 
nur von kurzer Dauer war. Dieselbe bildete gleichsam den Übergang von der Oli¬ 
garchie zu der Demokratie. 
Die Demokratie artet leicht in eine Willkürherrschast des Volkes aus, und 
dann heißt die Staatsform, eine Ochlokratie (Pöbelherrschaft). 
*) Ein Orakel ist jeder räthselhafte GLtterspruch. Der Ausdruck Orakel wird aber 
auch von dem Orte gebraucht, an dem dieser Spruch ertheilt wird. 
**) Mit der Zeit bekam das Wort Tyrannis eine schlimme Bedeutung; es hieß soviel 
als Gewaltherrschaft, und wir nennen eine solche noch heute Tyrannei. \*
	        
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