4 Die Chinesen. J. § 2.
3. Über Kunst und Literatur.
Kunst und Literatur stehen bei ihrem Beginne im Dienste der Religion.
Sie sind der Spiegel, der alle Empfindungen und Gedanken eines Volkes
zeigt, und deshalb schleichen sich leider oft auch in sie Mißbräuche und Entartungen
ein, wie in das Religions- und in das Staatswesen.
I. Abschnitt.
Die Chinesen.
§ 2.
Land und Bolk.
Das von den Chinesen bewohnte Land hat eine ungeheure Aus-
dehnung, nämlich 250,000 Quadrat-Meilen. Es ist auch das am meisten
bevölkerte aller Länder der Erde, denn es hat beinahe 500 Millionen Ein¬
wohner, übertrifft somit an Flächeninhalt und Bevölkerung den ganzen
Welttheil Europa. Das Kaiserreich China besteht aus einem höher
gelegenen Stufenlande und einem großen fruchtbaren Tieflande. Im Westen
bilden die Verzweigungen des Himalaja-Gebirges ein Alpenland. Mäch-
tige Ströme: der Ho angho (der gelbe Fluß) und der Jangtse-Kiang
(der blaue Fluß). Eingetheilt wird das Reich in das aus 18 Provinzen
bestehende eigentliche China und in die dazu eroberten Länder im Norden
und Westen (Mandschurei, Mongolei, kleine Bncharei, Tibet). Wichtigste
Städte: Peking im Norden, die Hauptstadt; Nanking am Jangtse-Kiang.
Vom Verkehr mit den übrigen Völkern haben sich die Chinesen ganz
abgeschlossen, indem sie allen Fremden den Eintritt in ihr Reich unmöglich
machten. Nur an bestimmten Orten der Küste durften fremde Handels-
schiffe landen.
Durch seine Größe hat das Land auch eine außerordentliche Mannichsaltigkeit
des Klima's, des Bodens und der Produkte (Erzeugnisse). Dadurch auch kann China
den Verkehr mit dem Auslande leichter entbehren. Das ganze Land ist mit Weizen-
und Reisfeldern bedeckt; der Theebau und die Seidenzucht werden fleißig be¬
trieben, und herrliche Gärten mit den edelsten Früchten erfreuen das Auge.
Die Chinesen sind der gebildetste Theil der Mongolen. Ihre
Haupteigenthümlichkeit ist die Zähigkeit und Starrheit, mit welcher sie an
dem Überlieferten festhalten. Der Verstand ist bei ihnen vorherrschend,
Gemüth und Phantasie sind weniger entwickelt. Sie haben schlichte, schwarze
Haare, etwas vorstehende Backenknochen und braune Augen, welche schmal
und lang geschlitzt sind und etwas schief d. h. nach der Nase abwärts stehen.
Die Negiernngssorn» der Chinesen ist eine patriarchalische.
Das ganze Volk wird als eine Familie und der Kaiser (j)er Sohn des
Himmels) als der Vater derselben angesehen, welchem alle Einzelnen mit
unbedingtem Gehorsam untergeben sind. Unter den Bürgern des Staates
gibt es keine erblichen Vorrechte; es vererbt sich nur der Besitz, nicht der
Rang; nur Kenntnisse, Arbeit und Sittlichkeit geben Ansehen und Würde.
— Der Kaiser selbst ist trotz seiner unumschränkten Gewalt abhängig von
den uralten Einrichtungen, Sitten und Gewohnheiten des Volkes; auch muß
er tugendhaft sein, sonst ist er nach der Anschauung der Chinesen unfähig