6 Die Chinesen. I. § 4
Tracht und Kleidung werden vom Staate bestimmt und sind durch alle
Jahrhunderte unverändert geblieben. Die Gewänder sind weit und faltenreich Die
Manner tragen den Zopf auf dem ringsum geschorenen Haupte, und die Frauen
verstümmeln ihre Füße zu unnatürlicher Kleinheit durch Einpressen der Zehen und
der Ferse mittelst Eisen und kleiner Schuhe.
Das chinesische Porzellan ist ausgezeichnet und ein gesuchter Haudelsgegen-
stand m Europa, namentlich in England.
ica Ebenso vorzüglich und alt sind die Schreibmaterialien der Chinesen,
«rnw Papier verfertigen sie schon seit 150 v. Chr. Ihr Seidenpapier und ihre Tusche
qqn' sind berühmt.
«rrfcr , Die Buchdruckerkunst wurde schon 930n. Chr. in China erfunden. Sie ist
^ aber schwerfälliger als die unfrige, denn jede Seite eines Buches wird in Holz ge-
schnitten.
Auch das Schießpulver besaßen die Chinesen früher als wir. — Die Beob-
achtung der Natur ist ihnen eine heilige Pflicht; deshalb gelangten sie frühzeitig zu
Kenntnissen in der Astronomie (d. h. der Wissenschaft von den Gestirnen) und
lernten früh die magnetische Kraft und den Compaß kennen.
Die Erziehung der Jugend geht bei den Chinesen nicht auf Erweckung
eines selbstständigen Denkens aus, sondern beruht auf Gedächtnißwerk. Es wird
nur die Erlernung dessen, was die Vorfahren gewußt und geübt haben, bezweckt.
Schon die Beschaffenheit der chinesischen Schrift ist ein großes Hinderniß für
alle wahre Bildung. Jedes Wort hat ein besonderes Zeichen. Diese Zeichen sind
zwar auf eine kleinere Zahl von Grundzeichen zurückzuführen, welche durch ihre ver¬
schiedene Verbindung verschiedene Wörter ausdrücken, aber das Lesenlernen der
chinesischen Schrift erfordert doch viele Jahre.
Auf die Musik legt man großen Werth. Die Sitten- und Staatsgesetze sind
in Musik gesetzt und werden durch Singen erlernt. Bei der chinesischen Musik wirken
aber zahllose, hellklingende Instrumente zusammen, so daß sie lärmend und eintönig ist.
Die Werke des Confucius, die Kings, machen den Hauptgegenstand des
Unterrichts ans. Ihr Inhalt besteht in Lehren der Moral und der bürgerlichen
Pflichten, in Gedichten nnd in der Darstellung der älteren Geschichte China's. Andere
Werke, auch aus älterer Zeit, heißen die kleinen Kings.
Die Literatur der Chinesen ist voll Klugheit und Verständigkeit, aber nicht
reich an Phantasie und Gefühlswärme. Sie haben wohl Erzählungen und Hof¬
es ch i ch t e u, aber kein Epos (Heldengedicht). Ihre reichhaltige dramatische Poesie
esteht ans Jntrigne (Verwicklung durch List)-Stücken und Possen. Doch fehlt es den
Chinesen nicht an manchen fein empfundenen und zierlich gesetzten Liedern, (Schi-
king, Liederbuch). Fig. 1.
In der bildenden Kunst der
Chinesen herrscht das Nützliche,
dasZweckgemäße und das Künst-
liche vor, das was von Verstand
und Fleiß ausgeht. Das küust-
lerische Bedürsniß der Chinesen
beschränkt sich aus ein vergnügliches
Wohlgefallen an buntem Aufputz.
Die Baukunst dient dem prak¬
tischen (werkthätigen) Leben. Die
Wohnhäuser sind niedrig, mit ans-
geschweiften Dächern und gelb-
lackirten Ziegeln, Ihre Thürme,
Tha genannt, stnd meist acht¬
eckig, vielgeschossig und 100 bis
150 Fuß hoch. Jedes Geschoß hat
ein vorspringendes, geschweiftes
Dach, an welchem lustig klingende
Glöcklein hängen. Die Wände sind
buntfarbig angestrichen oder mit
glänzenden Porzellanplatten belegt.
Berühmtistder9geschossige,über200
Fuß hohe Porzellantburm von
—Nanking, 1413—1422 n. Chr.
Chinesischer Thurm. erbaut.