Full text: Grundriß der deutschen Geschichte für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten

170 Der deutsch-französische Krieg, 1870—1871. §. 37. 
S- "37. 
Der deutsch-französische Krieg, 1870-1871. 
Napoleon III., welcher von den übrigen Großmächten England 
zum Verbündeten gewonnen, Rußland durch den Krimkrieg, Oesterreich 
durch die Eroberung der Lombardei für das Königreich Italien qe- 
schwächt hatte, war im Kriege Preußens gegen Oesterreich (1866) neutral 
geblieben, in der sichern Voraussetzung, daß die kleinste der Groß- 
mächte ihrem mächtigeren Gegner unterliegen oder daß beide sich gegen- 
seitig erschöpfen würden. Die unerwarteten Erfolge Preußens in 
jenem Kriege veranlagen ihn nun nicht nur zur Einmischung in d-e 
diplomatischen Verhandlungen über den Frieden ss. S. 152), sondern 
auch zur Forderung einer Eompensation für die ohne Frankreichs Zu- 
ftimmung erfolgte Erweiterung Preußens, durch Abtretung einer deutschen 
Bundesfestung (Mainz, später Luxemburg), uud zu dem Versuche 
Preußen zu einer Allianz mit Frankreich zu verlocken, der zufolge 
Preußen für die Ausdehnung des norddeutschen Bundes auf Süd- 
deutschlaud (ohne Oesterreich) die Franzosen in der Eroberung des 
neutralen Belgiens unterstützen sollte. Preußen gab, um den Frieden 
zu erhalten, sein Besatzungsrecht in Luxemburg auf, wies aber alle 
übrigen Anträge Frankreichs zurück. Deshalb drängte die (sog. 
chauvinistische) Kriegspartei tn Frankreich den Kaiser Napoleon zum 
Entschlüsse, wenn nicht mit Hülfe Preußens dann durch Kampf gegen 
Preußen die Grenzen Frankreichs (bis zum Niederrheine) zu erweitern 
und den norddeutschen Buud vor seiner Erstarkung zu einem allge¬ 
meinen deutschen Bunde aufzulösen. Einen Vorwand znm Kriege fand 
man in der dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern angebotenen 
Thronfolge in Spanien, und als dieser Vorwand durch Verzichtleistung 
des Erbprinzen schnell beseitigt war, verlangte der französische Bot- 
schafter, Graf Benedetti, im Auftrage feines Kaisers, von dem im Bade 
Ems weilenden Könige Wilhelm mit äußerster Zudringlichkeit das 
schriftliche Versprechen, niemals seine Einwilligung zu jener spanischen 
Thron-Kandidatur geben zu wollen, falls dieselbe erneuert werden 
sollte. In Folge der eben so entschiedenen als würdevollen Abweisung 
dieser auf Demüthigung berechneten Forderung ward von dem fran- 
zösifchen Ministerium in Übereinstimmung mit der von der Kriegspartei 
beherrschten Kammer der Krieg gtgen Preußen mit überstürzender 
Eile beschlossen (15. Juli).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.