Full text: Erzählungen aus den Sagen des klassischen Altertums und aus den deutschen Götter- und Heldensagen, Lebensbilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Teil 1)

Aegyptische Könige. 
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bis nach Mesopotamien vor. Viele Denkmäler tragen 
seinen Namen und verherrlichen seinen Ruhm. 
Der Schatz des Rhampsinit. 1000. Rhampsimt, 
ein Nachfolger des Ramses, ist durch seinen Reichthum 
und sein Schatzhans berühmt geworden. Als der Bau¬ 
meister des Königs ans dem Todtenbette lag, offenbarte 
er seinen beiden Söhnen, daß er einen beweglichen Stein 
in der Mauer des Schatzhauses angebracht habe und be¬ 
deutete ihnen, wie sie ihn herausnehmen und zu den 
königlichen Schätzen gelangen könnten. Der König merkte 
bald die Abnahme der letzteren, obgleich er sein Schatzhaus 
immer wohl verjchlossen fand. Da ließ er Fallen um die 
Kasten legen, und als nun bald darauf die Diebe wieder¬ 
kamen und der eine hineinkroch, wurde er gleich gefangen. 
Als dieser sein Unglück sah, befahl er seinem Bruder, 
ihm den Kopf abzuschneiden, damit er nicht erkannt 
würde und seine Verwandten auch ins Unglück ziehe. Dies . 
geschah. Als der König mit Anbruch des Tages in das Rim,es. 
Gebäude trat, war er nicht wenig erstaunt, einen kopflosen Dieb zu finden. Er ließ 
nun den Rumpf des Todten an die Mauer hängen und befahl der daneben 
gestellten Wache, jeden Vorübergehenden, den sie klagen oder weinen hören würde, 
zu ergreifen und zu ihm zu führen. Der aufgehängte Leichnam machte der Mutter 
viele Sorge. Sie hieß den andern Sohn alles versuchen, um ihr die Leiche des 
Bruders zur Bestattung zu bringen. Dieser trieb uun mit Weinschläuchen beladene 
Esel an der Wache vorbei, löste unbemerkt einige Schläuche und schrie nm Hülfe. 
Die herbeieilenden Soldaten fingen den Wein in Gefäßen auf und ließen sich das 
Schimpfen des Eseltreibers gefallen, der ihnen dann noch andere Schläuche zum 
Besten gab. Die Soldaten zechten und wurden so schlaftrunken, daß der Dieb 
ihnen zum Schimpf im Schlafe den halben Bart abscheeren und die Leiche hinweg¬ 
nehmen konnte. Rhampsinit, über diese neue List aufgebracht, wollte um jeden 
Preis der Thäter kennen lernen. Er schickte seine eigene Tochter in ein Haus, 
wo sie sich von jedem Vorübergehenden den listigsten Streich seines Lebens erzählen 
lassen, den aber, der ihr den Vorfall mit dem Diebe erzählen würde, festhalten 
sollte. Der Thäter kam und berichtete alles. Als ihn aber die Prinzessin fest¬ 
halten wollte, hielt sie den Arm eines Todten in der Hand; denn der Dieb hatte 
ihr den abgeschnittenen Arm seines Bruders vorgestreckt. Er selbst entfloh. Der 
König erstaunte über die neue List und ließ überall bekannt machen, daß er dem 
Thäter, wenn er sich stellte, verzeihen und ihn außerdem hoch ehren wollte. Jetzt 
erschien der Dieb und erhielt die Hand der Königstochter. 
Psammetich. 670. Einst herrschten 12 Könige zu gleicher Zeit in Aegypten. 
Am Anfange ihrer Regierung wurde ihnen geweissagt, daß derjenige unter ihnen' 
welcher einst in einem ehernen Becher einem ihrer Götter opfern würde, die Allein¬ 
herrschaft erlangen sollte. Als die zwölf Könige einst an einem Festtage in einem 
Tempel beisammen waren, und zum Beschlusse des Festes ein Trankopfer spenden 
wollten, brachte ihnen der Oberpriester aus Versehen nur elf Schalen. Psammetich, 
welcher als der letzte stand, bekam keine. Da ihm indeß der andere Priester, 
welcher das Eingießen des Weines besorgte, schon nahe gekommen war, griff 
Psammetich in der Eile nach seinem ehernen Helm und hielt denselben hin. Er 
dachte dabei nichts Arges; aber die andern Könige wurden sogleich bestürzt; denn 
ihnen fiel die Weissagung ein, und sie verbannten daher ihren Mitherrscher in die 
morastigen Gegenden des nördlichen Aegyptens. Mißmuthig fragte der Verstoßene 
weissagende Priester um Rath und erhielt die Antwort: „Die Rache wird kommen, 
wenn eherne Männer aus dem Meere heraufsteigen". Psammetich ging irngetröftet 
hinweg. Doch nicht lange nachher kanten die ihm gebliebenen Diener und er¬ 
zählten : „Herr, ant Ufer sind Männer gelandet, ganz mit Erz bedeckt, vom Kopf 
bis zu den Füßen"., Es waren Schaaren griechischer Seeräuber, die alles in 
Schrecken setzten, weil man bis dahin in Aegypten noch nie einen ganz geharnischten 
Mann gesehen hatte. Psammetich zog die Leute durch Versprechungen an sich, 
vertrieb mit ihrer Hülfe die elf andern Könige und ward Alleinherrscher über ganz 
Aegypten. Nach Cassian und Bredow.
	        
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