1 Habe Gott vor Augen und im Herzen! 41
das Geld, das aus dem lieben Brote fällt, hinein gebacken; der muß es
auch wieder haben. Bleib indes dabei; ich will geschwinde gehn.“
Er geht. Des Kindes Augen sehn ganz starr die blanken Taler
an; allein es rühret nicht daran. Der Bäcker kommt, sieht sie und spricht:
„Freund, das sind meine Taler nicht; ja, glaubt es mir! Doch wißt
Ihr was? Ein reicher Mann macht Euch den Spaß; denn hört, das
Brot, das Ihr geholt, war nicht von mir; Ihr aber sollt nicht fragen
und, von wem es ist, auch nicht erfahren. Dieses wißt, daß gestern abend
einer kam, der mir das Brot gab, das ich nahm, und sagte: „Wenn ein
armer Mann, der krank ist, nichts verdienen kann, ein Brot holt, Freund,
so gebt ihm dies.“ So sagt' er, ja, das ist gewiß. Drauf kamt Ihr,
und ich gab es Euch. Seht, wie Gott sorgt! Nun seid Ihr reich; das
Geld hat einen rechten Glanz.“
Der arme Mann verstummte ganz und auch sein Kind. Er nahm
das Brot und seufzt' und sagte nur: „Ach Gott!“ und schnitt sich noch
ein Stückchen ab und sprach: „Den Mann, der mir es gab, den segne
Gott! Ach lebte doch,“ sprach er, „nun deine Mutter noch, du liebes
Kind!“ Das Söhnchen spricht: „Weint, Herzensvater, weint doch nicht!“
Ludw. Gleim.
Wenn die Vot am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten.
51. Die sonderbare Mauer.
Es war Krieg; der Feind war nahe. Während der Nacht war der
Himmel bald da, bald dort von Feuersbrünsten rot wie Blut. Dazu kam
noch, daß es Winter war, und das Wetter war sehr kalt und stürmisch. In
einer Nacht waren die Leute eines einsamen Bauernhofes in großen Ängsten.
Sie waren vor dem Feinde keinen Augenblick sicher. Wenn sie jetzt ausge—
plündert, wenn sie in dieser rauhen Jahreszeit von Haus und Hof verjagt
worden wären! Großeltern, Eltern und Kinder blieben die ganze Nacht
hindurch in der Stube bei einander auf und beteten beständig. Die Groß—
mutter las aus einem alten Gebetbuche vor. In einem Gebet „zur Zeit
des Krieges“ kamen die Worte vor: „Lieber Gott, baue eine feste Mauer
um dieses Haus, daß kein Feind uns nahen kann!“ Da meinte der junge
Bauer, der andächtig zugehört hatte: „Es ist aber doch gar zu viel vom
lieben Gott verlangt, daß er so schnell eine feste Mauer um uns bauen soll!“
Die Großmutter aber glaubte fest: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Ja, ja!“
Die Feinde kamen immer näher. Man hörte wildes Geschrei; Trommeln
und Trompeten erklangen. Aber kein feindlicher Soldat kam in das Haus,
so daß sich alle darüber wunderten. Die Nacht ging vorüber. Als sie sich
nun des Morgens vor die Tür wagten, da hatte der Wind den Schnee