Full text: Lesebuch für deutsche Volksschulen

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Auf den Kiefernbäumen erblickt ihr eine Menge kunstloser, großer 
Nester. Wir sind in ein Sommerquartier der Krähen geraten. 
Hier haben die allbekannten, grauen Bettelleute ihre Jungen aus¬ 
gebrütet und erzogen. Jetzt streifen sie, mehr aber noch die violett- 
schwarzen Krähen, auf dem Felde umher inld machen Jagd aus 
Mäuse, Schnecken, Insektenlarven und allerlei Ungeziefer. Da kann 
man sie gravitätisch hinter dem Pfluge des Landmannes hergehen 
und aufheben sehen, was von Engerlingen und Würmern zutage 
gefördert wird. Später, im Winter, werden sie uns in der Stadt be¬ 
suchen und sich den Lohn für ihre Tätigkeit in allerlei Küchenabfällen 
holen, die die Köchin hinauswarf. So ganz zweifelsohne ist ihr Leben 
und Treiben aber nicht. In ihren Nestern finden sich eine Menge junger 
Kiefern- und Tannenbäumchen, die sie zum Ärger des Försters aus der 
Erde gezogen haben, wenn er eben eine neue Schonung angepflanzt 
hatte. Sie schienen ihnen so recht passend für ihren liederlichen 
Nestbau. Auch manch junges Hühnchen, manche kleine Ente fällt 
der Freßsucht der Krähen zum Opfer. 
Was ist das jetzt fiir ein gellender Schrei, ähnlich dein Miauen 
einer Katze? Den stößt der Mäusebussard aus. Dort über den 
Gipfeln der Bäume zieht er seine Kreise. Er reviert, d. h. fliegt 
seine Jagdgebiete ab und späht mit scharfen Augen, ob er etwas ent¬ 
decke, das ihm zur Beute diene. Er sucht Frösche und Schlangen, 
zieht auch aufs Feld und stellt den schädlichen Feldmäusen nach. Wo 
diese überhand nehmen, erscheinen Scharen von Bussarden, stiegen 
dicht über dem Erdboden hü: und vertilgen Hunderte der kleinen 
Verwüster. Diesen nützlichen Vogel schießen die unklugen Menschen 
tot und heften seinen Leichnam zum Zeichen ihrer Dummheit, wie 
sie aber meinen als abschreckendes Beispiel für seine Brüder, an die 
Scheunentore. Und doch liefert der Bussard selber uns den Beweis 
seiner völligen Schuldlosigkeit. Hier finde ich ein grauliches Klürnp- 
chen. Es ist das sogenannte „Gewölle" des Vogels. Er schlingt 
nämlich seine Beute unzerkleinert hinunter. Die unverdaulichen Knochen 
und Haare würgt er dann zu einem Klümpchen zusammengeballt 
wieder heraus. Wir finden graue und bräunliche Härchen, die von 
Mäusen stammen, dazu die Knochen dieser Tiere, zierlich vom Fleisch 
entblößt, so daß wir ein ganzes Skelett daraus zusammenstellen 
könnten, ferner Schlangen- und Froschknöchelchen. Dieses Gewölle ist 
das beste Zeugnis für den Vogel. 
Doch was ist das? Wer bewirft uns von oben her? Dort im 
Gipfel der Tanne sitzt ein Eichhörnchen. Es öffnet eine Haselnuß,
	        
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