fullscreen: Oberstufe: Erster Kursus (Teil 5, [Schülerband])

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der starke, kräftige Anker, welchen wir auswerfen in der Stunde der Gefahr 
und womit wir das Schifflein unsers Lebens mitten unter den empörten 
Wogen und den brausenden Stürmen schützen und befestigen, und so sind 
wir denn auch in dieser Hinsicht gewaffnet und gerüstet, um mit hoher 
Freudigkeit, mit wohlbegründetem Verträum und unerschütterlicher Ge¬ 
mütsruhe den wankenden Schauplatz unserer irdischen Wallfahrt zu betreten. 
Und das um so mehr, je freudiger und gewissenhafter wir die Pflichten 
erfüllen, welche das Leben uns auferlegt. Ein Schiff mit seinen Be¬ 
wohnern bildet einen Staat im kleinen; es gilt darin eine gewisse 
Ordnung; gewisse Gesetze sind vorgeschrieben und jedem Einzelnen sein 
Beruf und seine Geschäfte angewiesen, und von dem Zusammenhange 
der einzelnen Teile, von dem Ineinandergreifen der verschiedenen Ge¬ 
schäfte, von der gewissenhaften Erfüllung der einem jeden obliegenden 
Pflichten ist die Wohlfahrt des Ganzen bedingt und abhängig. Der eine 
regiert mit höchster Machtvollkommenheit das Ganze und erteilt die 
nötigen Befehle; der andere sitzt am Steuerruder und lenkt nach dem 
Stande der Winde den Lauf des Schiffes; diese haben nach Zeit und 
Umständen die Segel auszuspannen oder einzuziehen, jene im Notfall mit 
Rudern zu Hilfe zu kommen, und selbst diejenigen, welche nicht zu dem 
eigentlichen Schiffsvolk gehören, sondern nur als Reisende die Überfahrt 
machen, dürfen nicht unthätig sein oder sich ihrer Willkür überlassen, auch 
sie müssen in die bestehende Ordnung sich fügen, den vorgeschriebenen 
Gesetzen sich unterwerfen und wenn die Stunde der Not und Gefahr 
kommt, zur Rettung des bedrohten Schiffes wirken, zum Besten ihrer 
Reisegenossen Opfer bringen und Lasten übernehmen, und wenn es das 
Wohl und die Erhaltung des Ganzen erheischt, es sich gefallen lassen, 
daß ihr Hab und Gut über Bord geworfen werde. — Unter einem 
treffenderen und vollständigeren Bilde läßt sich in der That das mensch¬ 
liche Leben mit seinen mannigfachen Verhältnissen und Verzweigungen 
nicht darstellen. Das gesamte Menschengeschlecht bildet ebenfalls ein 
vielgegliedertes, ans unzähligen Teilen zusammengesetztes Ganze, und 
gegenseitig bedingt sich auch hier das Wohl des Ganzen und das Wohl 
der Einzelnen. Darum muß auch hier eine Ordnung gelten und das 
Gesetz über alle, über Hohe und Niedere, seine Herrschaft üben. Darum 
hat auch hier jeder seinen angewiesenen Beruf und ein ihm zugeteiltes 
Maß von Pflichten und Geschäften. Darum darf auch hier keiner seiner 
Willkür frönen oder bloß den eigenen Gewinn und Vorteil im Auge 
haben, sondern jeder muß, wie für sich, so auch für das Ganze thätig 
sein, an seinem Teil leisten und wirken, was ihm obliegt, und wenn 
es die Not erheischt, selbst zu schweren Opfern und schmerzlichen 
Versagungen bereit sein. Je freudiger, je unermüdlicher und gewissen¬ 
hafter aber da jeder in seinem Kreise das Seine thut, desto gesegneter 
ist der Zustand des Ganzen, und desto reicherer Gewinn strömt aus 
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