Lindner: Der Handel der Hanseaten.
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abendländischen Handel des Mittelalters beherrschten. Es wird uns anfangs
schwer, dies einzuräumen, da wir den Unsegen der staatlichen Zersplitterung
auf so vielen Gebieten erfahren haben. Trotzdem wird es sich, da die
Reichsgewalt und die landesherrlichen Gewalten des Mittelalters überwiegend
anderen Dingen zugewandt waren, so verhalten. Es wäre keineswegs ohne
Grund, wenn man als die Ursache der Überlegenheit der Hanse gegenüber
den englischen Städten des Mittelalters die politische Geschlossenheit Englands
bezeichnete. Die politisch unselbständigen Städte Englands vermochten nichts
zu tun. wenn das Königtum, durch die dynastischen Interessen, die Kriege
mit Frankreich, die Kämpfe der Rosen in Anspruch genommen, die wirt-
schaftlichen Interessen des Landes vernachlässigte und sogar Fremden, den
Hanseaten, um ihre Unterstützung für rein politische Zwecke zu gewinnen,
wirtschaftliche Vorrechte gegenüber den eigenen Untertanen gewährte. Die
deutschen Städte dagegen konnten sich unter der Gunst der territorialen
Zersplitterung weit freier bewegen, konnten ihre Politik in erster Linie nach
den Interessen des eigenen Gemeinwesens richten. Sie sind nächst den
italienischen Städten die ersten politischen Gebilde des Abendlandes geworden,
in denen die Politik den wirtschaftlichen und zumal den Verkehrsinteressen
dienstbar gemacht wurde.
Literatur über das Städtewesen: von Maurer, Geschichte der Städte-
Verfassung in Deutichland. 4 Bde. 1869 — 71. — von Sohm, Entstehung des deutschen
Städtewesens. 1890. — von Below, Das allere deutsche Städlewesen und Bürger-
tum. 1898. — Pfalz, Bilder aus dem deutschen Städteleben im Mittelalter. 2 Bde.
Leipzig. 1871. — Boos, Geschichte der rheinischen Städtekultur mit beionberer Berück¬
sichtigung von Worms. 2 Bde. 2. Aufl. Berlin 1897. — Chroniken der deutschen
Städte. Herausgegeben von der historischen Kommisston der Akademie zu München.
24 Bde. 1862—95.
51. Der Handel der Hanseaten.
Von Theodor tittbner.1
Die deutsche Hanse. Leipzig. F. Hirt & Sohn. 2. Aufl. 1901. S. 157.
In dem mehr als vier Jahrhunderte betragenden Zeitraum, den die
hansische Geschichte umspannt, haben die Waren und Erzeugnisse, welche der
Kaufmann vertrieb, und noch mehr die Formen, in denen er es tat, manchen
Wechsel erfahren. Ebenso ist die Höhe des Umsatzes erst lange Zeit stetig
gewachsen, dann ins Schwanken geraten, endlich herabgesunken. Ganz ver-
schieden war ferner der Anteil, den die einzelnen Städte und Gruppen an
»Theodor Lindner. geboren 1843 in Breslau. wirkte als Professor der
Geschichte in Breslau und Münster und wurde 1888 an die Universität zu Halle berufen.
Werke: „Geschichte des deutschen R-iches unter König Wenzel." 2 Bde. 1875—80.
„Kaiser Heinrich IV." 1881. „Die Verne." 1888. „Deutsche Geschichte unter den
Habsburgern und Luxemburgern." 2 Bde. 1890- 93. „Die deutschen Königswahlen
und die Ei tstehung des Kurfürstentums/' 1893. „Geschichte des deutschen Volkes." 2 Bde.
1894. „Der Kiieg gegen Frankreich und die Einigung Deutschlands." 1895. „Die deut¬
sche Hanse." „Hergang bei den deutschen Königswahlen." 1899. „Geschichtspbilosophie."
2. Aufl. 1904. „Weltgeschichte seit der Völkerwanderung." 1. bis 3. Bd. 1901 — 1903.