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diese unerhörte Forderung ab (13. Juli); Benedetti versuchte aber trotzdem,
der Weisung aus Paris folgend, sich von neuem mit ähnlichen Zumutungen
Gehör zu verschaffen, allerdings ohne Erfolg. Der König empfing ihn
nicht mehr in dieser Angelegenheit, ließ ihm vielmehr sagen, er habe ihm
nichts weiter mitzuteilen, und verwies ihn im übrigen an seine Regierung.
Das nahm die französische Regierung als Grund zum Kriege, und die
französische Kammer beschloß fast einstimmig den Krieg (15. Juli). Die
Kriegserklärung erfolgte den 19. Juli. Kopflos stürzten sich Kaiser und
Volk in einen verhängnisvollen Krieg, der Kaiser, um seinen wankenden
Thron durch Blut zu befestigen, das Volk, um sein Gelüst nach Rache und
Kriegsruhm zu befriedigen. Heer und Volk feierten in ihrem Übermute
schon den siegreichen Einzug in Berlin, besonders da der französische Kriegs-
minister Le Boens versichert hatte, daß die Rüstungen bis auf den letzten
Knopf vollendet seien. — König Wilhelms Heimkehr von Ems nach Berlin
gestaltete sich zu einem Triumphzuge, bei dem Liebe und Vertrauen, Mut
und Vaterlandsliebe überall, in den neuen wie in den alten Provinzen,
hell aufloderten. Am 19. Juli, dem Todestage seiner Mutter, besuchte er
die Gräber seiner Eltern und erneuerte dann den Orden des Eisernen
Kreuzes. Auch Süddeutschland reichte begeistert dem Norden die Hand
zum gemeinsamen Kampfe, und so hatte der Erbfeind All-Deutschland
geeint. Was deutsch war in den fernsten Winkeln der Erde, das jubelte
und sandte Grüße und Geld. Überall klang Max Schneckenbnrgers
„Wacht am Rhein", und das Volk arbeitete wie Anno 1813 für den Krieg
und die Pflege der Verwundeten. Von früh bis spät waren der König,
seine rechte Hand Graf Bismarck, der eherne Mann von Rat und Tat,
sein „treuerKorporal"Kriegsminister von Roon und der geniale Schlachten-
denker von Moltke tätig. Tag und Nacht trugen die schnaubenden
Dampsrosse die Truppen an den Rhein. Die erste Armee führte der alte
Steinmetz durch die Rheinprovinz, die zweite Armee Friedrich Karl
durch die Pfalz und die dritte ArMee (mit den süddeutschen Truppen) der
Kronprinz durch Baden in das Elsaß dem Feinde entgegen. Oberfeldherr
war der greise König selbst. Vierzehn Tage nach der französischen Kriegs-
erklärung standen 400000 deutsche Soldaten an der französischen Grenze.
b) Siege beim Einmarsch in Feindesland. Den Siegesreigen
ohnegleichen eröffnete der Kronprinz am 4. August mit der blutigen
Erstürmung Weißenburgs und des dahinter liegenden Geisberges,
wobei der feindliche General Donay getötet wurde. — Bei Wörth wurde
am 6. August der Lieblingsheld der Franzosen, Mac Mahon, nach dem
zähesten Widerstande und großen Opfern auf beiden Seiten in die Flucht
geschlagen. Die süddeutschen Truppen wetteiferten mit den norddeutschen
um den Preis der Tapferkeit. Besonders hartnäckig war der Kampf in
den Weinbergen, die Schritt für Schritt mit Blut erkauft werden mußten.
Brennende Dörfer, zersplitterte Bäume, mit Leichen und Verwundeten,
Tornistern, Gewehren, umgestürzten Wagen und Kanonen besäete Felder
und fliehende Rothosen, hinter denen die württembergischen Reiter Hetzjagd
machten: das war das Bild des Schlachtfeldes am Ende des heißen Tages.
Unter den 6000 Gefangenen waren viele afrikanische Turkos und Zuaven
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