fullscreen: Lesebuch zur Geschichte der deutschen Literatur alter und neuer Zeit

312 Neudeutsche Literatur, 
Und soll ich dir gestehen, wie ich denke: asso. 
Die goldne Zeit, womit der Dichter uns Du nennest uns unbändig, roh, gefühllos? 
Zu schmeicheln pflegt, die schöne Zeit, sie war, 
So scheint es mir, so wenig, als sie ist; Prinzessin. 
Und war sie je, so war sie nur gewiß, Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen 
Wie sie uns immer wieder werden kann. Gutern, 
Voch treffen sich verwandte Herzen an Und euer Streben muß gewaltsam sein. 
Und theilen den Genuß der schönen Welt; Ihr wagt 5, ur die Ewigkeit zu handeln, 
Nur in dem Wahlspruch ändert sich, mein Wenn wir ein einzig noch beschränktes Gut 
Freund, Auf dieser Erde nur besitzen möchten, 
Ein einzig Wort: Erlaubt ist, was sich ziemt. Und wünschen, daß es uns beständig bliebe. 
e Wir sind vor keinem Männerherzen sicher, 
ai Das noch so warm sich einmal uns ergab 
O, wenn aus guten, edlen Menschen nur die echensenn en due m 
Ein allgemein Gericht bestellt entschiede, n h u perg binn h 
Was sich denn ziemt! anstatt daß jeder ur zi chren scheint. Was ü rig b eibt, 
laubi, Das reizt nicht mehr, u u nicht reizt, 
Es sei auch schicklich, vas ihm nützlich ist. re n e i eee ec 
— ——— 
Sicht alles wohl, und er erlaubt sich alles. Welch einen holden Schatz von Treu' und 
Prinzessin. Liebe 
Willst du genau erfahren, was sich ziemt, Der Busen einer Frau bewahren kann; 
So frage nur bei edlen Frauen an. Wenn das Gedächtniß einzig schöner Stunden 
Denn ihnen ist am meisten dran gelegen, In euren Seelen lebhaft bleiben wollte; 
Daß alles wohl sich zieme, was geschieht. Wenn euer Blick, der sonst durchdringend ist, 
Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Auch durch den Schleier dringen könnte, den 
Das zarte, leicht verletzliche Geschlecht. Uns Alter oder Krantkheit überwirft; 
Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie, Wenn der Besitz, der ruhig machen soll, 
Und wo die Freiheit herrscht, da sind sie Nach fremden Gütern euch nicht lüstern 
nichts. machte: 
Und wirst du die Geschlechter beide fragen: Dann wär' uns wohl ein schöner Tag er⸗ 
Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib schienen, 
nach Sitte. Wir feierten dann unsre goldne Zeit. 
8. Iphigenie. 
Monolog im Hain des Tempels. 
Heraus in eure Schatten, rege Wipfel Und an dem Ufer steh ich lange Tage, 
Des alten, heil'gen dichtbelaubten Haines, Das Land der Griechen mit der Seele 
Wie in der Göttin stilles Heiligthum, suchend: 
Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, Und gegen meine Seufzer bringt die Welle 
Als wenn ich sie zum Erstenmal beträte, Nur dumpfe Töne brausend mir herüber. 
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. Weh dem, der fern von Eltern und Ge— 
So manches Jahr bewahrt mich hier ver— schwistern 
borgen Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der 
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; Gram 
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. Das nächste Glück vor seinen Lippen weg, 
Denn ach mich trennt das Meer von den Ihm schwärmen abwärts die Gedanken, 
Geliebten, Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
	        
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