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spiel gepflegt. Auch diese Kunst bildete sich nach der Sitte der Zeit
in Zunft und Schule aus und erheiterte das ernste Leben der Bürger.
Manche Städte unseres Vaterlandes waren erfüllt mit einer Unzahl
von Spielleuten. Fiedel, Harfe, Pfeife und Zinke waren teure In—
strumente. Alte Heldensagen ließ man in Liedern erklingen. Auch die
Lust an der Natur war in den dumpfen Gassen erwacht. Überall wurde
in den deutschen Städten das Frühlingsfest mit Lust und Jubel be—
gangen, und im Freien ward getanzt. Man dachte sich den Winter als
einen feindseligen Riesen, den Sommer als einen knabenhaften, holden
und zugleich starken Jüngling, welcher gewappnet in den Wald zog, um
den gehaßten Gegner aufzusuchen und zu überwältigen. Ein Knabe zog
daher als Sonnengott an der Spitze gewappneter Genossen in den Wald.
Er trug Laub- und Blumenkränze an der Stirn, Brust und Schulter
und kehrte, nachdem Scheinkämpfe im Walde gehalten waren, als Sieger
mit Jubel heim. Sein Gefolge führte zum Beweise des Sieges grüne
Birkenzweige mit sich. Ein hoher, glattgeschälter Baum mit grüner Krone
wurde aufgepflanzt. Unter allerlei Leibesübungen und Spielen, mit Gesang
und Tanz begleitet, verlebte man den Tag. Diese Sitte war aus dem
Dorfe mit den eingebürgerten Bauern in die Stadt gezogen, verwandelte
sich aber im 14. Jahrhundert in einen Auszug der Schützenbrüder—
schaften. Ein bunter Frühlingsvogel wurde nun von der Stange herab—
geschossen und der beste Schütze bekränzt. Nur die Ratsherren begingen
noch hier und da für sich einen Mairitt unter festlicher Musterung des
waffengeübten Volkes. In der Frühe des ersten grünen Maitags ritt
der jüngste Ratsherr — ihm voran noch ein schöner bekränzter Knabe —
mit den stattlich geputzten Ratsherren in den Wald hinaus, führte den
Mai ein und verlebte den Abend mit Weib und Sippschaft im laub—
geschmückten Rathause bei festlicher Kost und bei Tanz.
2. Aus der Zeit des Großen Kurfürsten.
208. Die Belagerung und Erstürmung Mündens im
Dreißigjährigen Kriege.
Nach S. H. Z. Willigerod.
1. Wenige Jahre nach dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges kamen
die ersten feindlichen Scharen auch in die Nähe der Stadt Münden.
Wallenstein fiel mit einer Armee von 20000 Mann in das Amt Fried—
land ein und plünderte und brannte die Dörfer rund um Göttingen ab.
Das Geschrei der benachbarten Landbewohner, die zum Himmel auf—
steigende Flamme, welche die schönsten Dörfer in Brandstätten verwandelte,
verkündete den Bürgern Mündens das nahe Verderben. Doch Wallen—
stein griff die Stadt nicht an; wider Erwarten schien das Unglück schnell