§. 974. Deutschland. 595 
Sprachforschung ins Leben gerufen, so wie Bey me, Boyen u. A., zogen sich verstimmt 
vom öffentlichen Leben zurück und überließen das Regiment den Männern des Rückschritts, 
einem Kamp tz und Genosien, die jetzt im Rathe des Königs saßen und ihren Halt hatten 
an einigen zur katholischen Kirche übergetretenen und von romantisch- absolutistischen 
Grundsätzen erfüllten Staatsrechtslehrern, wie Haller, Adam Müller, Iarcke, 
' ^ilipps, und an den Mitarbeitern und Freunden des Berliner „politischen Wochen- 
b „tes". Besonders einflußreich wirkte „die Restauration der Staatswiffenschaften" des 
Btt'ners K. L. v. Haller (+ 1854) auf die Stimmung des Tages. Nach ihm stammen 
die Nechte der Herrscher nicht aus Verträgen, sondern sie sind „ursprünglich eigene, 
natürliche und erworbene Rechte, auf das Eigenthum der Herrschenden an dem zuerst von 
ihnen ergriffenen Lande gegründet. Wie dies Eigenthum vor dem Staate ist, so sind die 
Herrscher vor und über dem Volke, das sich nur zu ihnen als Gutsherren oder Familien¬ 
vätern sammelt und in Dienstverhältnisse zu ihnen tritt". Dem Herrscher zur Seite als 
Berather steht der Adel, „nicht eine menschliche Veranstaltung, sondern ein Natur- 
erzeugniß. die nothwendige Folge der Verschiedenheit äußern Vermögens und innerer 
Kräfte", daher auch nur dem Herrscher verantwortlich und untergeben, wie dieser nur 
Gott. — Von der Zeit an standen die Parteien einander schroffer und feindlicher gegen¬ 
über. Die Uebereilung und Unbesonnenheit der neuerungssüchtigen Jugend hatte der 
Reaction den Sieg über die Männer des Fortschritts verschafft. Deutschlands Einheit 
galt für einen Traum; wer den Wunsch danach aussprach, machte sich demagogischer 
Bestrebungen verdächtig. Jeder einzelne Staat wurde als selbständiges Ganze angesehen 
und regiert, ohne Rücksicht auf die Gefammtintereffen des Vaterlandes; und wenn auch 
manche gute Einrichtung in Verwaltung. Rechtspflege, Kirchen- und Schulwesen getroffen 
ward, für Erweckung des Nationalgefühls und der Vaterlandsliebe geschah wenig oder 
nichts. Zölle erschwerten den Verkehr benachbarter Staaten, Sondninteressen zogen die 
Regierungen von dem Streben nach einem gemeinsamen Ziele ab. Da erscholl die Nach¬ 
richt von der französischen Iulirevolution in Deutschland und regte die Gemüther 
mächtig ans. Die Fürsten, besorgt, das bekannte Gelüsten der Franzosen nach der 
Rheingrenze möchte einen neuen Krieg herbeiführen, gewahrten mit Unruhe die zwischen 
Volk und Regierungen bestehende Uneinigkeit und eilten, durch billige Zugeständnisse die 
Unzufriedenheit, die sich in Sachsen, Hannover, Braunschweig, Kurhefsen u. a. O. durch 
Ausstände kund gab, zu mildern oder zu heben. 
§. 974. Deutsches Verfassungswesen. Der erste deutsche Fürst, der sein Land mit 
einer ständischen Verfassung beschenkte, war der Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar, 
derselbe hochgebildete Fürst, der einst die Zierden deutscher Poesie und Literatur um sich ver¬ 
sammelte. Eine einzige, aus Rittergutsbesitzern, Bürgern und Bauern gebildete Versammlung 
vertritt alle Staatsbürger und besitzt die Theilnahme an der Gesetzgebung mit dem Recht der 
Initiative, das Steuerverweigerungsrecht, Preßfreiheit und viele andere wichtige ständische 
Rechte. — Zwei Jahre später folgte Nassau mit einer weniger freisinnigen Constitution. In 
Würtemberg trat die neue Repräsentativ-Verfaffung erst nach langen Kämpfen mit den Unter¬ 
thanen Alt-Würtembergs, die auf Wiedereinführung ihrer alten, mit großen Rechten ausgestatteten 
Stände drangen, ins Leben. Erst unter Friedrichs Nachfolger Wilhelm I. (1816—64) kam 
die neue Verfassung zu Stande, als die Karlsbader Berathungen die Alt-Würtemberger von 
i längerem Widerstand abgeschreckt. — Im Jahre 1818 wurden auch in Bayern durch Maximilian 
. Joseph und in Baden durch Großherzog Karl landständische Verfassungen eingeführt. In diesen 
! drei süddeutschen Staaten besteht die Landesrepräsentation aus zwei Kammern, aus der ersten 
> Kammer (in Bayern Reichsräthe), worin der hohe Adel, die Vertreter der beiden Landes- 
\ ftrchen n. A. Sitz und Stimme haben, und der durch doppelte Volkswahl gebildeten 
E zweiten Kammer. Die sehr liberale badische Verfassung war das letzte bedeutende Regierungs- 
* werk des Großherzogs Karl, der noch in demselben Jahre starb und seinen Oheim Ludwig zum 
- Nachfolger hatte. Nach dem Tode dieses wenig geliebten Fürsten gelangte mit dem wohlwollenden, 
» bürgerfreundlichen Leopold I. das Haus Hochberg (aus Karl Friedrichs zweiter Ehe) zur 
5 Regierung. Bayerns Ansprüche auf die Rheinpfalz und die Grafschaft Sponheim wurden von dem 
k Aachener Congreß abgewiesen. — Im Anfang der zwanziger Jahre erhielt auch das Großherzogthum 
38* 
5. anal 
1816. 
1818. 
Skptbr 
1819. 
1830. 
1821.
	        
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