Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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in die Armee, die Wohlhabenderen in die Landwehr zu bereinigen, und damit 
nicht nur eine Scheidewand zwischen beiden herzustellen, sondern vielleicht bei 
zunehmendem Wohlstand der Bevölkerung der Armee selbst ihren Bedarf an 
Rekruten zu schmälern. Wenn indessen aus der ganzen Masse der Dienst¬ 
pflichtigen das Los diejenigen bestimmte, die in das stehende Heer einzutreten 
hatten, und die Übrigbleibenden von selbst der Reservearmee zufielen, schien 
jenes Bedenken beseitigt. 
Vorerst freilich blieben alle diese Anregungen nur Entwürfe. Einmal 
konnte der König sich nicht davon überzeugen, daß dazu jetzt schon die Zeit ge¬ 
kommen sei; dann warfen sich bald äußere Verhältnisse hemmend in den Weg. 
Der Vertrag, der im Herbst 1808 von Napoleon erzwungen ward, stellte ein 
Maximum der Truppenmacht fest, die Preußen halten durfte, und untersagte 
ausdrücklich die Bildung einer Nationalmiliz. Doch war als Keim für künf¬ 
tige Tage das jetzt Angeregte nicht verloren und ist in den kommenden Zeiten 
der Entscheidung fruchtbar und mächtig aufgegangen. 
Es war so vieles zu thun, was keine Verzögerung zuließ, das; es sich 
wohl begriff, wenn der König von den weiter greifenden Entwürfen manchen 
vorerst noch zurücklegte. Schon die neue Bildung des stehenden Heeres war 
eine ungewöhnlich mühevolle Arbeit. Nachdem die schuldigen Offiziere verurteilt 
oder entfernt, die aus den abgetretenen polnischen Gebieten entlassen, die über¬ 
zähligen auf halben Sold gefetzt waren, galt es nun, mit dem so geläuterten 
Offizierstand ein neues Heer zu bilden, dessen Kosten die finanzielle Kraft des 
Landes nicht überstiegen und das doch die Möglichkeit an die Hand gab, zur 
rechten Zeit für die Ehre und Unabhängigkeit des Staates die nötige Ver¬ 
mehrung eintreten zu lassen. Weitn man erwägt, von welchen Bitten und An¬ 
sprüchen der Entlassenen die Regierung bestürmt ward, wie viele persönliche 
Interessen durch die Neubildung verletzt wurden, wie die Soldaten und das 
nötige Material, über einen großen Raum hin zerstreut, oft nur mit größter 
Mühe beizubringen waren und den leitenden Männern zudem nicht einmal die 
freie Verfügung über das vom Feinde besetzte Land und feine Hilfsquellen zu¬ 
stand, so war es gewiß der höchsten Anerkennung wert, daß noch vor Ende des 
Jahres 1807 die Grundzüge der neuen Organisation des stehenden Heeres voll¬ 
endet waren. Fußvolk und Reiterei wurden beide neu formiert, bei jenem 
namentlich Bedacht genommen auf die Vermehrung der leichten Infanterie, die 
Kleidung einfacher und zweckmäßiger gemacht, der Bestand der Kompanieen so 
eingerichtet, daß die Last nicht zu groß war für die Tragkraft des Landes und 
die Ersparnisse der Staatskasse zu gute kamen, zugleich aber doch ein Überschuß 
an Offizieren zugelassen, damit, sobald das Bedürfnis eintrat, die Vermehrung 
der Armee keine Schwierigkeiten bot. Das ausländische Werben war völlig 
abgestellt, das Heer sollte fortan nur aus den Landeskindem gebildet werden. 
Unangefochten wurden diese Neuerungen nicht ins Werk gesetzt. Neben 
den Ungeduldigen, welche die Schwierigkeiten nicht erwogen und denen die
	        
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