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des Wortes auch der Seele eigen werden. Wie das Wort ist, so wird auch die Seele
von ihm, gleich als das Eisen glutrot wird wie das Feuer aus der Vereinigung
mit dem Feuer. Also sehen wir, daß an dem Glauben ein Christenmensch genug
hat; er bedarf keines Werkes, daß er fromm sei. Bedarf er denn keines Werkes
mehr, so ist er gewißlich entbunden von allen Geboten und Gesetzen. Ist er ent¬
bunden, so ist er gewißlich frei. Das ist die christliche Freiheit.
15. Zum fünfzehnten. Durch den Glauben ist ein Christenmensch so hoch er¬
haben über alle Dinge, daß er aller ein Herr wird — geistlich ; denn es kann ihm
kein Ding schaden zur Seligkeit. Ja es muß ihm alles Unterthan sein und zur
Seligkeit helfen, wie S. Paulus lehrt Röm. 8. 28.
Nicht, daß wir aller Dinge leiblich mächtig find, sie Zu besitzen oder zu brauchen,
wie die Menschen auf Erden, denn wir müssen sterben leiblich, und niemand kann
dem Tod entfliehen; so müssen wir auch viel anderen Dingen unterliegen, wie wir
an Christo und feinen Heiligen sehen. Denn dies ist eine geistliche Herrschaft, das
ist, ich kann mich an allen Dingen bessern nach der Seele, daß auch der Tod nnd
Leiden mir dienen müssen und nützlich sein zur Seligkeit, das ist eine recht all¬
mächtige Herrschaft, ein geistliches Königreich, da fein Ding so gut, so böse ist, es
muß mir dienen zu gut, wenn ich glaube, und bedarf fein doch nicht, sondern mein
Glaube ist mir genügsam. Siehe, wie ist das eine köstliche Freiheit und Gewalt
der Christen.
II
Nun kommen wir aufs andere Teil auf den äußerlichen Menschen.
Hier wollen wir antworten allen denen, die sich ärgern aus deu vorigen Reden
und zn sprechen pflegen: „Ei, so denn der Glaube alle Diuge ist. und gilt allein ge¬
nugsam fromm zu machen, warum sind denn die Werke geboten ? So wollen wir guter
Diuge fein und nichts thun." Nein, lieber Mensch, nicht also! Es wäre wohl also,
wenn du allein ein innerlicher Mensch wärest und ganz geistlich und innerlich ge¬
worden, welches nicht geschieht bis am jüngsten Tage. Es ist und bleibt auf Erden
nur ein Anheben und Zunehmen, welches wird in jener Welt vollbracht. Wie das
zugehe, wollen wir sehen.
20. Zum zwanzigsten. Obwohl der Mensch inwendig nach der Seele durch
den Glauben genugsam gerechtfertigt ist und alles hat, was er haben soll, so bleibt
er doch noch in diesem leiblichen Leben aus Erden und muß seinen eignen Leib
regieren (20—25) und mit Leuten umgehen (26—29). Da hebert nun die
Werke an; hier muß er nicht müßig gehn; da muß fürwahr der Leib mit Fasten,
Wachen, Arbeiten und mit aller mäßigen Zucht getrieben und geübt sein, daß er
dem innerlichen Menschen und dem Glauben gehorsam und gleichförmig werde,
nicht hindere noch widerstrebe, wie seine Art ist, wo er nicht gezwungen wird.
Denn der innerliche Mensch ist mit Gott eins, fröhlich und lustig um Christi willen,
der ihm so viel gethan hat, und steht alle feine Lust darin, daß er wiederum möchte
Gott auch umsonst dienen in freier Liebe ; da findet er in feinem Fleisch einen wider¬
spenstigen Willen, der will der Welt dienen und suchen, was ihm gelüftet. Das
mag der Glaube nicht leiden und legt sich mit Lust an feinen Hals, ihn zu dämpfen
nnd ihm zu wehren; wie S. Paulus sagt Röm. 7, 23 und Galat. 5, 24.
21. Zum einundzwanzigsten. Aber dieselben Werke müssen nicht geschehen in
der Meinung, daß dadurch der Mensck fromm werde vor Gott, sondern nur in der
Meinung, daß der Leib gehorsam werde und gereinigt von seinen bösen Lüsten.
Denn dieweil die Seele durch den Glauben rein ist und Gott liebt, wollte sie gern,
daß auch also alle Dinge rein wären, zuvor ihr eigener Leib, und jedermann Gott
mit ihr liebe und lobe. So geschieht es, daß der Mensch seines eignen Leibes
halben nicht ntüssig gehen kann und viel guter Werke darüber üben muß, daß er
ihn zwinge; und doch sind die Werke nicht das rechte Gut, davon er fromm und
gerecht fei vor Gott, sondern er thue sie aus freier Liebe umsonst, Gott zu ge¬
fallen.
23. Zum dreiundzwanzigsten. Darum find die zwei Sprüche wahr: „Gute,