30 6. Friedrich Wilhelm UI. und die Königin Luise.
der Hut einer alten Wärterin anvertraut. Der vorbeizukommen, hielt
nicht schwer. Rasch hatte ich die Tür hinter mir und war mit den
letzten Nachzüglern auch im vollen Rennen nach dem Brücktor. Aber
m der Nähe desselben kamen uns glänzende Equipagen entgegenge¬
fahren nach flutete der Volksstrom dem Fürstenwalle (einer Straße) zu;
von diesen Wogen wurde auch ich gefaßt, nun schwamm ich mit der
Flut und wurde von ihr ruckweise auf die Stirn des Walles befördert.
Dort stand Kopf an Kopf, und es schien fast unmöglich, bis zum
Gouvernementsgebäude vorzudringen, in welchem bie Majestäten abge¬
stiegen waren. Aber was wäre einem vor Neugier brennenden Knaben
in solchem Falle unausführbar! Gehend und kriechend, schiebend und ge¬
schoben, stoßend und gestoßen schrotete ich mich durch die schwarze Menschen¬
masse hindurch. Ich gelangte endlich glücklich, wenn auch etwas ge¬
quetscht, an einen Ort, wo ich nun unter den Vordersten gerade der
Großen Salontüre gegenüberstand, in welcher die Herrscher erscheinen
mußten, wenn sie sich, wie jedermann erwartete dem Volke zeigen
wollten. Da stand ich also auf der glücklichen Stelle Bald zeigte
sich ein reizendes Schauspiel. Die Königin trat m die ©alonture.
Ich erinnere mich ihres Anzuges noch ganz deutlich; sie trug einen
staMqrün seidenen Überrock und war übrigens ohne Schmuck, einfach
nefletiet. Das Volk begrüßte sie jubelnd, Mützen und Hute schwenkend
Sie verneigte sich mit holdseliger Freundlichkeit nach allen Setten und
nun wurde ich Zeuge eines Auftritts, der wohl verdient, erzählt zu
werden. Auf silberner Platte wurde ihr eine Taste dargeboten; sie
nahm sie und frühstückte. Ein Herr mir mehreren Sternen auf der
Brust näherte sich ihr aus der Tiefe des Salons und sch en des
Augenblicks zu warten, wo er ihr nach beendetem Frühstück tue Taste
abnehmen durste. Plötzlich aber sah die Königin empor, dann mtt un¬
glaublicher Freundlichkeit nach dem Volke. Ihr Blick stet auf ein Kmd,
mit welchem die Wärterin sich auch unter den Vordersten befand. Die
Schönheit des Kindes mochte ihr gefallen und das^lange g^gelbe
Lockenhaar des Kleinen. Sie winkte erst mlt dem Finger, öa aber
niemand die liebenswürdige Natürlichkeit dieser Gebärde b egt fiJo sagte
sie iemand der hinter ihr stand, etwas, worauf der Diensttuende ge¬
gangen kam und der Wärterin befahl, ihm mit dem Kinde zur Königin
zu folgen. Die arme Person wurde blutrot, gehorchte zitternden
Schrittes und sah sich dabei unterweilen nach der Menge um, als
wollt- sie sagen: Ich maße nur diese Ehr- nicht am Jnzw-sch-" «°ll
ber Herr mit den Sternen der Königin die Aasie abnehmen, sie
lehnte" es aber ab, neigte sich dem Kinde, welches unbefangen umher
Wte entgegen! fa6«e Me Händchen streichelte 'hm ,e ffiangn
und gab ihm dann aus ihrer Tasse m dem Teelöffel äu W™- ®
-fraate die Wärterin nach dem Alter des Kindes, nach feinen Litern
und toa8 dergleichen meh? war. Alles, dieses geschah m der En s»nung
weniger Schritte von dem Platze, wo ich stand, so daß ich diese L j
heiten genau merken tonnte.. Man begreift, w-lch-n E.ndrnck d- L°r^
Ln Nolke macken mutzte, bet dem eine Königin sich )o iieDiicg
mütterlich gegen “fremdes Kind bezeigte. Es wurde nicht gerufen